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Predigt                                                       Fronleichnam 2022 Haid

Liede Brüder und Schwestern, liebe Kinder!

Wir glauben ja und feiern es heute extra: Jesus ist gegenwärtig. Im allerheiligsten Altarsakrament, wie es theologisch formuliert heißt.

Aber in der Kirche, beim Gottesdienst oder vor dem Tabernakel – und da halten wir uns ja im Normalfall, im Alltag, nicht auf.

Also wo ist er? Wo können wir Jesus heute finden?

Wir werden nachher, nach dem Gottesdienst hinausgehen auf den Stadtplatz und zu unserem Mahnmal vor der Kirche. An vielen Orten der katholischen Welt gehen die Fronleichnamsprozessionen hinaus – auf die Felder, durch die Städte und Ortschaften, an Gemeindeämtern, Geschäften. Krankenhäusern, Altenheimen, Betrieben und Fabriken, Wohnblöcken vorbei …

All diese Orte, so möchten wir es, sollen gesegnet werden durch die Gegenwart Gottes, die Gegenwart Jesu –

Und was ist, wenn die Prozession wieder vorbei ist?

Ist dann Jesus auch noch da – an unseren Alltagsorten – oder nicht?

Die Menschen haben sich früher vorgestellt: Da ist die Welt, das Irdische, Materielle die Vorstellung kommt aus der griechischen Antike, und geistert noch immer in unseren Denkmodellen herum: Geist ist gut, Materie irgendwie schlechter, 2.rangig oder so.  – irgendwie unvollständig, nicht ganz so gut … und das braucht den Segen durch das Göttliche, geistige, eine himmlische Macht …

Und das natürlich immer wieder, weil es mit der Zeit verpufft oder nicht mehr so wirksam ist …!

Stellen wir uns da etwas Richtiges und Wahres vor?

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren: Gott findet das ein bisschen seltsam …

Oder ist es viel mehr so:  Gott wird in Jesus Mensch, ganz und vollständig … das Baby Jesus ist total angewiesen auf Fürsorge, Muttermilch, Windeln wechseln, baden, Streicheleinheiten … abhängig von Temperatur, Wasser, Luft, … Gott wird materiell, begibt sich in diese Welt — dann wäre ja das Fronleichnamsfest die logische Folge, der logische Endpunkt von dem, was zu Weihnachten begonnen hat …

In der griechischen Antike hat man sich als Ideal vorgestellt: der Mensch wird göttlich. Also immateriell.

Das ist aber ein großer Irrtum. Im Christentum besteht die Erlösung gerade darin, dass umgekehrt Gott materiell, sterblich wird.

Gott ist ganz in dieser Welt zuhause, in der Sphäre des irdisch – Sichtbaren und Angreifbaren.

Der Segen besteht gerade darin, dass Gott nicht mehr extra von außen kommt, sondern er ist schon mitten drin. Untrennbar mit dem Alltäglichen verwoben …

Anbauen und Ernten, kochen und essen, wohnen und arbeiten und einkaufen und Freizeitaktivitäten – es gibt keinen Bereich, wo Gott nicht ist.

Es gilt nicht mehr Profan oder sakral. Die Trennung ist aufgehoben.

Und das hat Folgen.

Diese Erde und ihre Güter, Boden, Wasser, Luft, alles was wächst, Lebewesen, Pflanzen und Tiere möchten so behandelt werden, wie es Gott zukommt. Mit Ehrfurcht und Sorgfalt.

Weil wir Gott essen und trinken dürfen im Sakrament – dürfen wir alles essen und trinken ohne Ausnahme. Allerdings nicht unbedacht einfach so – sondern mit Ehrfurcht vor allem Lebendigen.

Und mit unseren Mitmenschen dürfen wir nur so umgehen, wie wir mit Gott umgehen würden Wir erinnern uns an diese andere Sache, von der Jesus einmal spricht: Was ihr dem geringsten Menschen getan habt, habt ihr mir getan.

Diese Welt ist nichts Profanes oder gar Gottloses – in Jesus hat er/sie sich in diese Welt hineinbegeben. Und zwar nicht probeweise oder nur mal so zum Ausprobieren wie vielleicht im orientalischen Märchen von Harun al Raschid, dem Kalifen, der verkleidet als einfacher Bürger erforscht, ob es in seinem Land ordentlich zugeht.

Sondern in echt.

Und er ist nicht wieder aus ihr weggegangen …

Gott ist in der Ukraine an der Front. Im russischen Arbeitslager. Im afrikanischen Hungergebiet, In der Klinik. Im Supermarkt. Im Fitnesstempel. Im Kino. Im Nachtlokal. Im Parlament. In der Schule, im Kindergarten, auf der Universität, im Gefängnis. In den Familien.

Niemals mehr ist es gleichgültig, was wir tun oder ob wir etwas tun oder nicht.

Wer durch das Essen des heiligen Brotes mit Jesus verbunden ist, kann sich niemals mehr heraushalten. Denn wir sind an ihn gebunden. Wir sind mitten drin mit ihm.