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Liebe Brüder und Schwestern!

Wer hier möchte heilig werden?

Als ich 18 oder 19 war, war ich zu Hause in meiner Pfarre in einer Jugendbibelrunde. Irgendwann einmal fragte der Kaplan damals: Wer von euch will heilig werden?

Nein danke, sicher nicht, war meine 1. Reaktion. Ich war mir ziemlich sicher, wie so ein heiliges Leben aussehen müsste: ohne Freude, Feste, Fröhlichkeit, Freiheit, Schönheit… In meiner Vorstellung gab es höchstens so etwas wie einen traurigen Heiligen oder einen komischen Heiligen, jedenfalls nichts, was irgendwo erstrebenswert ausschaute.

Im Evangelium steht „selig, die…“ Da ist nicht das kirchliche Seligsprechungsverfahren gemeint, sondern „glücklich“. „Makarios“ meint „glücklich“, und zwar nicht irgendwann und irgendwo, im Jenseits oder nach dem Tod, sondern hier und jetzt in diesem konkreten Leben.

Ändern wir die Frage: Wer von Ihnen möchte glücklich werden?

Die kirchliche Verbildung reicht so weit, dass ich erst vor ein paar Tagen in einem Kommentar gelesen habe: Das „Selig“ bezieht sich auf die Ewigkeit.

Na, sicher nicht. Jesus und sein Evangelium gelten immer für den speziellen Menschen.

Glücklich ist, wer hier und jetzt Gott zutraut,  dass er alles zum Guten wenden kann. Er wird es nämlich erleben.

Glücklich, wer mit seiner Trauer und seinen Sorgen sich an Gott wendet, denn Gott tröstet.

Wer keine Gewalt anwendet, durchbricht die Spirale der Gewalt und stiftet dauerhaft Frieden und Wohlstand.

Die Barmherzigen sorgen für ein Klima des Zusammenlebens, das ihnen selbst auch zugute kommt, wenn sie Fehler machen oder Hilfe brauchen.

Nur wer ein reines Herz hat, unverbildet von menschlichen Traditionen, Machtsystemen, egoistischen Interessen…, kann überhaupt erfassen, wie es Gott tatsächlich meint…

Gott zieht keine Trennungslinie mit seinem Heil zwischen vor und nach dem Tod. Aber Jesus wendet sich immer an hier und jetzt lebende wirkliche reale Personen mit einer handfesten Lebenswirklichkeit.

Deshalb gibt es unter den echten Heiligen auch keine Kopien, sondern nur Originale.

Wenn wir Lieblingsheilige nehmen, die wir auch gern als Vorbild nehmen, dann nicht um bestimmte Verhaltensweisen, Eigenheiten oder sogar Absonderlichkeiten nachzumachen, sondern um uns abzuschauen, wie das gehen kann, wie das schon einmal jemand geschafft hat: mit der eigenen Geschichte, mit all den persönlichen Eigenschaften, mit Vorzügen und Begabungen, aber auch Fehlern und Sünden, mit der je anderen gesellschaftlichen und kulturellen Herkunft und Erziehung – manchmal trotz dieser Herkunft und Erziehung – , zu verschiedenen Zeiten mit verschiedenem Familienstand und Beruf und Intelligenzquotienten den Weg als Christ/in mit Gott, mit Jesus zu gehen und auf diesem Weg GLÜCKLICH zu werden.

Aber jede/r von uns muss den eigenen Weg selber gehen.

Verheiratet oder Nicht, mit oder ohne Kinder, asketisch oder lebensfroh, arm oder reich, in sich gekehrt oder weltoffen, in einem Orden oder nicht, mit kirchlichem Beruf oder mit eigenem Geschäft, als Bäurin oder Angestellter, als Akademikerin oder Arbeiter, als Schülerin oder Pensionist…

Wie sich das Leben mit Gott gestaltet, ist für den einzelnen keineswegs beliebig.

Wer nicht zur Ehe berufen ist und das im Herzen spürt, würde mit Partner und Kindern nicht glücklich. Es wird auch nur der im Kloster glücklich, seine tiefste Erfüllung finden, für den das wirklich der persönliche Weg ist. Wessen Weg es ist, Straßenarbeiter oder Bettlerin zu sein, der/die wird als solcher weit glücklicher sein als ein Konzernchef, der im Grunde eine andere Berufung gehabt hätte. Katharina von Alexandrien ist ihrer Berufung, Theologin und Wissenschafterin, treu geblieben – sie hat gespürt: Gemahlin des Oströmischen Kaisers – das bringts nicht.

Elisabeth von Thüringen: Arbeit für Kranke, früher Tod – und sie war glücklich dabei. Sie hätte ebenfalls Gattin eines Kaisers werden können.

Jeder Mensch ist dazu berufen, einen ganz bestimmten Aspekt Gottes im Leben und durch sein Leben auszudrücken. Wir sind ja schon nur deswegen geboren worden, weil Gott uns ausdrücklich auf dieser Erde haben will.

Was das für jeden von uns ist?

Da können wir drauf kommen: wer Gott ernsthaft bittet, dem zeigt er diesen einzigartigen Weg, der von Grund auf glücklich macht: das ist an keine Altersgrenze gebunden. Wer Gott mit 12 bittet, ihm den Weg zu zeigen, der wird ihn natürlich früher finden als einer, der mit 40 oder 60 oder 80 Jahren zu fragen und zu suchen beginnt. Aber möglich ist es immer.

Gemeinsam ist ihnen: Ihr Leben ist durch und durch heil geworden. Sie haben zu ihrem tiefsten Wesen gefunden, ihre Berufung gelebt, sind glücklich geworden (das hat nichts mit dem bürgerlichen Erfolgsverständnis zu tun!), strahlen das Heil Gottes aus, Menschen haben gespürt: bei diesem Menschen ist es gut sein, da kann ich selber etwas von Gott spüren…

Und genau darauf kommts an.

Predigt zum heutigen Sonntagsevangelium Joh 13, 31-35

 

Liebe Brüder und Schwestern!

 

Liebe – was ist das? Das weiß doch jeder, oder?

In unserer Sprache haben wir nur ein Wort für alles, im Griechischen, der Sprache, in der das Neue Testament ursprünglich geschrieben wurde, gibt es verschiedene Wörter für die verschiedenen Bedeutungsnuancen.

Eros, lat. Amor – die leidenschaftliche Liebe zwischen Liebespaaren

Agape – Hingabe, selbstlose Liebe im Einsatz für andere

caritas ist nicht identisch, hat eher den Aspekt des Sorgens, care im Englischen

Philia – amicitia – Freundesliebe

Solidarität, Zusammenhalten

 

Liebe hat was mit Gefühl zu tun – aber nicht nur.

Es geht auch um eine Willensentscheidung.

Ich kann einen Feind – nicht gern haben, aber anständig und respektvoll behandeln und ihm helfen, wenn es nötig ist. Jesus verlangt ja von uns: Liebt eure Feinde – tut Gutes denen, die euch hassen – das drückt es genau aus.

 

Jesus fordert uns auf: Liebt einander, wie ich euch geliebt habe.

 

Geht das überhaupt?

Sind wir da nicht überfordert?

Schließlich sind wir nicht Jesus.

 

Wie hat denn Jesus geliebt?

 

Jesus ist voller Achtung für jede/n.

Er begegnet den Menschen auf Augenhöhe – nicht so in der Art: Ihr seid die Armutschkerl, und ich zeige euch, wo es langgeht, ohne mich könnt ihr nichts … so von oben herab – wir kennen bestimmt solche Leute, die in diesem Stil helfen. Solche Liebe, Hilfe, demütigt.

Jesus macht das nicht.

Sehr vornehm, Hilfe zur Selbsthilfe …

 

Jesus hilft bedingungslos.

Stellen wir nicht allzu oft Bedingungen auf, unter denen wir zu helfen bereit sind?

Wir suchen uns aus, wem wir helfen – und gehen noch dazu mit unserer Liebe äußerst sparsam um.

 

Jesus gibt die Hoffnung nie auf, dass seine Liebe Wirkung zeigt.

Wir geben Menschen auf.

 

Wir geben auch selber auf, uns selber gegenüber.

 

Jesus traut jedem Menschen das Beste zu, ungeachtet der Vergangenheit.

Er sieht immer unser höchstes Potential, die guten Möglichkeiten, wozu wir   eintretenden Fall fähig wären.

Ein modernes Sprichwort sagt: Jemanden lieben heißt, in/sie so sehen, wie Gott ihn /sie gemeint hat.

 

Dazu ein Beispiel:

 

In einer staatlichen Schule in einem Armenviertel New Yorks gab es ein 25jähriges Klassentreffen vom Grundschulabschluss. Einer der Jubilare war erfolgreicher bekannter Journalist geworden.

Seine ehemalige Klassenlehrerin ging in diesem Jahr in Pension, und es waren viele ihrer ehemaligen Schüler und Schülerinnen gekommen.

Im Lauf der Feier stellten die Teilnehmenden erstaunt fest, dass sehr viele von ihnen College und Universität besucht hatten, bekannte ÄrztInnen, Universitätsprofessoren, Forscher, Rechtsanwälte, Geschäftsleute und auch PolitikerInnen geworden waren.

Die Absolventen anderer Klassen waren z. T. Schulabbrecher, Kriminelle, Arbeitslose, oder Fabrikarbeiter oder Menschen geworden, die geradeso eben ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten.

Höchst erstaunlich für die heruntergekommenen öffentliche Grundschule in Harlem…

Der Journalist beschloss eine Story zu schreiben. Schnell kam er dem Geheimnis auf die Spur.

Die Lehrerin hatte jedem/r einzelnen Schüler/in vermittelt, dass er/sie jeweils etwas ganz Besonderes sei, spezielle individuelle Begabungen habe, die es sich zu entfalten lohnte. In jedem Kind sah sie die höchsten Möglichkeiten, wozu es fähig sein könnte, wozu der junge Mensch es bringen könnte. So gab sie ihnen Mut, diese auch zu verwirklichen.

 

Wir spüren: wenn alle so lieben würden, würde sich das Aussehen der Erde tatsächlich verändern.

Und dann machen wir uns Sorgen, dass wir das nicht schaffen. Alle, mit denen wir es zu tun bekommen, so sehen, ihre besten Möglichkeiten …

 

Vielleicht reicht es, wenn wir nur so wie er lieben wollen, es versuchen – und den Rest ihm überlassen.

Immerhin versuchen könnten wir es einmal.