Predigt
So., 6. 9. 2020
Liebe Brüder und
Schwestern!
Da stehen mehrere
Leute herum – in der Kaffeepause in der Firma – nach dem Gottesdienst – oder
beim gemütlichen Teil nach einem Sportereignis im Verein – und ziehen über
eine/n her, der gerade gar nicht da ist – der dann aber nie erfährt, dass
irgendetwas stört, das er macht oder nicht macht… meistens sind es auch nur
Vermutungen, und keiner fragt den Hauptbeteiligten, was jetzt wirklich los ist.
Oder: 2 arbeiten am
gleichen Arbeitsplatz – Büro oder zusammen an einer Maschine. Der eine macht
immer den gleichen Fehler, täglich, wöchentlich, der Fehler gehört praktisch zu
ihm dazu – oder ein Ehepaar, und eins von beiden vergisst immer wieder mal, den
Müll zu trennen.
Der andere Teil sagt
monatelang, vielleicht jahrelang, nichts. Man will ja die Stimmung nicht
verderben. Aber dann, eines Tages, früher oder später, platzt ihm/ihr der
Kragen, und er tobt herum und sagt dem anderen einmal so richtig gründlich die
Meinung. Das Arbeits- oder Eheklima können wir uns dann vorstellen.
Oder: einer von einem
Arbeitsteam tut offenbar nicht, was er soll. Sofort beschwert sich einer oder
die ganze Gruppe beim Chef.
Oder – in unserem
Land tatsächlich so passiert: Der Vorgesetzte schiebt dem Mitarbeiter, den er
täglich mehrmals sieht und wöchentlich mehrmals zu einem Gespräch trifft, die
Kündigung unter der Tür durch. Kardinal Schönborn und Generalvikar Schüller.
Oder: Besonders strenggläubige
Katholiken in einer Diözese beobachten mit Akribie, was Mitchristen, die ihnen
wegen der von der eigenen Meinung abweichenden Einstellung suspekt und
womöglich zuwider sind, alles machen – und hoffen inständig, bei denen
irgendeinen Fehler zu entdecken – der dann umgehend nach Rom gemeldet wird –
ist auch passiert, aber seit Papst Franziskus gottseidank weitgehend
verschwunden.
Ein paar Beispiele,
über die wir uns „begeistert freuen„ …
Ok., so nicht.
Wir wissen, wie es
besser gehen könnte. Dass es anders ablaufen muss.
Und jetzt schauen wir
uns noch einmal an, was Jesus im Evangelium sagt. Liebe Brüder und Schwestern:
Ist das nicht hochmodern? Genau das, was Psychologen, Mediatoren und
KommunikationsexpertInnen heutzutage weltweit einfordern?
Was rät uns der Herr?
- Sofort
etwas unternehmen, nicht erst nach Wochen, Monaten oder Jahrzehnten.
- Auf
freundschaftlicher Basis, von Angesicht zu Angesicht direkt mit dem Menschen,
mit dem es offenbar Schwierigkeiten gibt, Kontakt aufnehmen – mit dem/der
sprechen über das, was man verkehrt empfindet. Fragen, Ich beobachte, dass du –
dass Sie – was beabsichtigen sie damit? Warum handeln sie so und nicht anders?
Vieles wird sich in diesem wertschätzenden Umgang klären – entweder ich
verstehe, warum der das macht, woran ich Anstoß nehme – ich kann ja auch
dazulernen – oder der andere versteht, dass es falsch ist, dass es mich stört
und ändert das Verhalten.
- Wenn so
ein Gespräch keinen Erfolg hat: Im kleinen Kreis es noch mal versuchen. Unter
Kollegen, in der Familie … in der Nachbarschaft … vielleicht habe ich mich in
was verrannt, und die anderen sehen das Verhalten des anderen mit anderen Augen
…
- Wenn das
auch nichts fruchtet, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, den Vorgesetzten oder
ev. die Behörde einzuschalten.
Ist es nicht bewundernswert,
wie topmodern Jesus denkt? Das sind die neuesten Erkenntnisse der
Konfliktbewältigung.
Ignatius von Loyola
vertritt die Meinung: Egal, was der/die andere tut oder sagt, wie komisch oder
grundverkehrt es uns auch vorkommen mag, immer haben wir als Christen zuerst
das Beste vom anderen anzunehmen – bis zum Beweis des Gegenteils. So entsteht
ein Klima des Vertrauens. Dies sollen wir schaffen und bewahren – es ist das
genaue Gegenteil vom Klima des Denunziantentums und Misstrauens jedem
gegenüber, der auch nur in einer Kleinigkeit von einer Norm abweicht, die
außerdem sowieso nur eingebildet ist.
Jesus will aber noch
mehr. Jede/r soll zum Heil finden. Wir können am Vorbild Jesu sehen, wie sich
Jünger/innen Zöllnern oder Heiden – Menschen, die eine andere Religion oder gar
keinen Glauebn haben – gegenüber zu
verhalten haben. Freundschaftlicher Umgang und helfen, wo es geht. Selber
Vorbild sein und vorleben, was andere offenbar nicht schaffen.
Was wir auf keinen
Fall tun sollen, steht auch an vielen Stellen im Matthäusevangelium: richten
und verurteilen. Leider entsteht manchmal so eine Verurteilungskultur, wo es
nur mehr um die Fehler geht … Jesus bemüht sich aber gerade um die, wo Hopfen
und Malz verloren ist, um die sogenannten hoffnungslosen Fälle.
Und noch etwas ist zu
tun: Im kleinen Kreis für den anderen beten. Nicht im großen Kreis, um ihn oder
sie nicht bloßzustellen. Zu 2., zu dritt – die, die mit ihm geredet haben, ohne
Erfolg zuvor – die sind aufgerufen – so ein Gebet wird immer erhört, da ist
Jesus dabei.
Versuchen wir es!