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Predigt am Weihnachtstag

Liebe Brüder und Schwestern!

Ich beginne mit einem Text:

Dieser Tag hat der Welt ein anderes Gesicht gegeben. Sie wäre dem Untergang verfallen, wenn nicht in dem heute Geborenen für alle Menschen ein gemeinsames Heil aufgestrahlt wäre … Wer richtig urteilt, wird in diesem Geburtstag den Anfang des Lebens … für sich erkennen … Die Vorsehung, die über allem Leben waltet, hat diesen Mann zum Heile der Menschen mit solchen Gaben erfüllt, dass er uns und den kommenden Geschlechtern als Heiland gesandt ist. Jedem Krieg wird er ein Ende setzen und alles herrlich machen. In seiner Erscheinung sind die Hoffnungen der Vorfahren erfüllt … Mit dem Geburtstag des Gottes beginnt für die Welt das Evangelium das sich mit seinem Namen verbindet.

Inschrift von Priene, bezieht sich auf Kaiser Augustus.

Da kommt uns manches ganz bekannt vor.

Die Evangelisten haben die bekannten Formulierungen – solche Lobgedichte auf Augustus waren gang und gäbe – verwendet und auf Jesus umgemünzt. Der Kaiser maßt sich de göttliche Legitimierung an – dieses kleine Kind im unbekannten Ort Betlehem kann sie beanspruchen.

Liebe Brüder und Schwestern, von wo her erwarten wir uns Licht und Heil?

Da gibt es Regierungschefs, Parteien, Politiker, den neuen Präsidenten, oder ein Star, wenn der seine Meinung äußert zu bestimmten Themen… oder bekante Wissenschafter, Wirtschaftschefs … da erwarten wir uns Aufschwung und Rettung – oder vor dem Jahreswechsel vielleicht noch von der Astrologie oder von Wahrsagern die massenweise, so scheint es, ihre Prognosen anbieten.

Oft, zu oft, bleiben wir mit unseren Erwartungen und unserer Hoffnung im rein menschlichen Bereich.

Obwohl wir Christen sind.

Das Johannesevangelium redet in der Sprache der hohen Philosophie. Für das Kind armer Eltern im Stall in der armseligen Krippe, an unbekanntem Ort, auf freiem Feld, im Unterstand der verachteten Hirten … verwendet er den Namen: Licht und fleischgewordenes Wort.

Die Uhren gehen anders, als man es üblicherweise glauben möchte: Gottes Ordnung ist eine andere als die menschliche, gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche, kulturelle … total konträr…

Und es wird auch gleich gesagt: er kommt nicht an. Zu anders – zu klein zu unscheinbar zu gewaltlos und hilflos …  … Man hätte sich anderes erwartet.

Dieses Licht ist von Anfang an bedroht. Wir merken es, wenn wir unser Christsein ernst nehmen wollen: Da ecken wir an, wie Jesus, da fordern wir Widerspruch heraus, da riskieren wir unsere Ruhe, da kämpfen wir gegen Windmühlen …

Ja, es gibt auch die Erfolge – Hilfsbereitschaft, Anständigkeit, Ehrlichkeit, soziales Engagement … Geschwisterlichkeit unter Menschen –

Aber was ist das gegen so viel anderes? Dunkles aber auch Schrilles, Grelles, das den kleinen Lichtschein übertönt und überblendet?

Ist das wahr: die Finsternis hat es nicht erfasst?

Jetzt feiert alle Welt Weihnachten. 90 % haben mit dem Glauben und mit dem Christsein allerdings nichts am Hut. Weihnachten gibt es in Indien und China und in Filmen und Büchern- Brauchtum, die Herzen werden weich –  … ein beliebtes Fest.

Könnte es nicht sein, dass es wahr ist –

Könnte es nicht sein, dass alle diese Menschen, die Weihnachten feiern, wie auch immer – diese Hoffnung noch wach halten, diese Sehnsucht noch spüren, immer noch: dass es andere Werte gibt als Wachstum und Geld und politische Macht – dass das Kleine Wert hat, dass Gott sich interessier für die am Rand, für die draußen – dass das Gute und Wahre am Ende Recht behalten wird – und alle kleinen zaghaften Versuche Licht in die Welt zu bringen, niemals zum Scheitern verurteilt sind – sondern Bestand haben und Wirkung zeigen werden …?

… aus einem einzigen Grund: Weil mit der Menschwerdung, mit der Geburt Gottes als Kind der Mittelpunkt des Weltgeschehens woanders hingeraten ist, als die Weltordnung und die Mächtigen und Vornehmen es für möglich halten – das Datum unseres Weihnachtsfestes wurde in der frühen Kirche absichtlich auf den 25. Dezember gelegt, das war in Rom das Fest des Sol Invictus, des unbesiegbaren und unbesiegten Sonnengottes. Jesus ist größer, soll das bedeuten, die Sonne wird irgendwann nicht mehr da sein – Jesus Christus schon.

Das Zentrum der Weltgeschichte liegt nicht in Washington oder Moskau oder Peking, oder Rom – sondern in Betlehem, im brasilianischen Amazonien, in Moria oder Sipbach oder Hasenufer –  Gott selbst, das Licht der Welt, kam und kommt jedesmal an die Peripherie, zu den kaum Wahrgenommenen und zu den Verachteten, zu den Armen,  zu jedem und jeder von uns.

Liebe Brüder und Schwestern!

Jesus Christus ist das „Licht der Welt“. Das wissen wir, wir hören es oft, besonders zur Weihnachtszeit. Aber was soll das eigentlich bedeuten?

Was wir heute tun: ein Gedicht interpretieren.

Das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.

Licht ist stärker als die Dunkelheit.

Eine kleine Kerze, eine Taschenlampe reicht aus, und mit der Finsternis ist es dahin.

Klar: Licht ist Energie, Dunkelheit ist Abwesenheit von Energie. Wo Energie fehlt, wie kann das Kraft haben?

Menschen tun oft so, als wären sie in der Dunkelheit dieser Welt allein. Mit den Problemen, Schicksalsschlägen, mit Schuld, Irrtum, Bosheit, Feindschaft usw.

Ja, Sie haben richtig gehört: Wir tun als ob.

Wir verleugnen die Wirklichkeit.

Wir tun so, als ob das Licht nicht da wäre.

Als ob wir allein wären. Als ob es keine Hilfe, keine Aussicht, keine Rettung gäbe.

Als ob das Böse stärker wäre, die Krise stärker als ihre Lösung…

Wir tun so, als ob Gott nicht anwesend wäre in dieser Welt…

Tatsache ist:

Das Wort, Gottes Selbstmitteilung an uns Menschen, ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.

Ich habe Ihnen das am Weihnachtstag erzählt von Fritz Muliar, der in seiner Kindheit immer gemeint hat, bei der Familie im 1. Stock, mit der niemand etwas zu tun haben wollte.

Als Kind hat er sich das plastisch so vorgestellt.

Aber es steckt eine tiefe theologische Wahrheit dahinter.

Ja, Gott ist einer von uns geworden.

In jedem menschlichen Gesicht leuchtet uns Gottes Anwesenheit entgegen.

Jede/r ist Ort der Herrlichkeit Gottes.

Liebe Brüder und Schwestern, dies hat Konsequenzen für uns, für das Handeln der Menschen aneinander, für das Zusammenleben aller auf diesem Planeten.

Menschen, Christen, die das gesehen und begriffen haben, haben Lichtspuren hinterlassen – Krankenhäuser, Altenheime, Waisenhäuser, Schulen, Hilfsprojekte, Armenhilfe, die Gruppen und runden in den Pfarren, Besuchsdienste,  … Einsatz für Gerechtigkeit, Freiheit, Frieden, für Arme jeder Art: so verbreitet sich das Licht weiter – so verbreitet sich die frohe Botschaft – mit Lichtgeschwindigkeit.

Wir machen uns auch zeitweise Sorgen: Wie kann das weitergehen, wenn sich immer weniger Menschen für Christus, für die Kirche interessieren?

Das Evangelium zu Weihnachten möchte uns sagen. He, wie kann diese Sache gut ausgehen, diese Sache mit Gottes Menschwerdung, wo es schon so furchtbar anfängt, keiner nimmt ihn auf, im Stall geboren, arm, dann gleich in Lebensgefahr, auf der Flucht, im Ausland, liebe Leute, die Chancen stehen denkbar schlecht, wir garantieren für nichts, es könnte blöd hergehen, und von der Botschaft erfährt niemand je etwas –

Lieber Gott, danke, war gut gemeint, aber wir können leider nichts damit anfangen, mehr Erfolg möchten wir sehen, mehr Sicherheit haben, ein bisschen Prunk und eine gewisse Machtposition, …

Die Kirche ist lange Zeit diesen Weg gegangen – ohne zu merken, dass sie gerade damit das Licht verdunkelt hat – und ohne es zu wollen…

Es schaut manchmal so aus, als ob nichts weitergeht auf der Welt, die armen Länder sind ärmer als je zuvor, die Umweltzerstörung, die Gewalt, der Unfrieden.

Da denke ich mir: Wenn Gott dieses kleine schutzlose Kind mit Tricks und List zu dem bringt, was es werden soll – na kann er nicht diese kleinen Ansätze und Versuche, die Lichtpunkte und –spuren der Menschlichkeit hüten, schützen, zum sinnvollen Ende, zur Vollendung führen …?

Schlimm ist, dass viele so leben und so denken – als ob – das Gute, Gott, keine Macht hätte, nichts bewirken würde.

Ganz recht- als ob. Denn in Wirklichkeit ist es anders. Jesus hat bereits den Sieg errungen. Das Licht ist an der Macht.

Wenn uns das von der Weihnachtsbotschaft im Bewusstsein bleibt, dann hat es sich schon ausgezahlt …