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Predigt Weißer Sonntag 2022

Liebe Brüder und Schwestern!

Geht es uns nicht auch oft, ja meistens so: Wir haben so unsere Zweifel – vor allem ob Jesus, Gott, unser Beten wirklich hört – oder ob es nur eine fromme Übung von uns ist.

 …und wir sagen alles Mögliche über unseren Glauben – und waren total verblüfft, als genau das eingetreten ist, was wir gesagt haben – beim Beten z. B.

Jesus nimmt uns ernst.

Und dann vergessen wir es wieder. Bis zum nächsten Mal.

Leichter fällt es uns zu glauben, dass andere, vielleicht die Großen Heiligen, einen „direkten Draht“ zu Jesus gehabt haben.

Unser Glaube lebt zuerst von dem, was andere uns erzählen.

Thomas hat gehört, was die anderen Apostel erzählen über die Begegnung mit dem auferstandenen Jesus. Es ist eher nicht der Unglaube, der ihn das sagen lässt, was er sagt.

Thomas spürt: Das genügt nicht. Unsere Heranwachsenden, die kritischen jungen Menschen, die hungern nach Erfahrung, die spüren: das genügt nicht. Thomas will es selber erleben, was ihm vermittelt wird: Wenn ich nicht meine Hände in seine Wunden lege …

Es reicht nicht, fromm zu nicken und brav alles mitzumachen … Es ist sogar völlig inadäquat. Komplett untauglich.

Die Glaubenserfahrung sämtlicher Christen vor uns, und seien es die Apostel und die größten Heiligen selbst, ersetzt nicht unsere eigene.

In dieser Situation, im besten Fall, wenn ein Mensch gelernt hat und gewohnt ist zu beten, mit Jesus vertraut ist vom Hörensagen, wendet sich der/die Betreffende an Jesus, an Gott: Du, zeig mir doch selbst… wo bist du?

Im Evangelium geht Jesus direkt und absolut persönlich auf Thomas ein:  Er fordert ihn auf, genau das zu tun, handgreiflich zu erleben, was er braucht, damit er zum Glauben kommt. Gotteserfahrung, Jesusbegegnung.

Wir sind in diesem Schritt, in dieser Beziehung zu Jesus, nicht durch andere vertretbar. Jede/r ist selbst gefragt.

Wir können von unseren Erfahrungen erzählen, die Glaubensinhalte vermitteln, zu Gottesdiensten einladen, sie ansprechend gestalten. Aber dass ein Mensch wirklich und tatsächlich es mit Gott zu tun bekommt, ihm unmittelbar begegnet, dass entzieht sich dem Bereich dessen, was wir machen können, da wirkt Gott selber mit seiner Gnade.

Ich habe mir da schon gedacht: Wir haben Jesus live da in jedem Gottesdienst – wieso gehen die alle nicht voll Erwartung und Vorfreude in die christlichen Kirchen?

Liegt das an uns, wenn sie das Gefühl nicht haben, da geschieht etwas Außerordentliches?

Haben wir das Gefühl, hier Besonderes zu erleben? Wie der Apostel Thomas im Evangelium?

Merken, spüren wir, dass Jesus wirklich da ist?

Er ist lebendige Person und zeigt mir ständig, wie gern er mich hat. Dinge gelingen. Sogenannte „Zufälle“ ereignen sich. Hass und Ärger verflüchtigen sich, Versöhnung, Friede wird möglich. Heilung geschieht. Ich weiß, was ich wissen muss, im richtigen Moment. Freude an der Arbeit, Verantwortungsbewusstsein, Pflichtgefühl. Sinn.

Plötzlich alles da.

Das Christentum ist eine Erfahrungsreligion, eine Religion der Praxis.

Schicksalsgemeinschaft auf Gedeih und Verderb.

Karl Rahner hat gesagt: Der Christ des 21. Jahrhunderts wird ein Mystiker sein, oder er wird nicht mehr sein.

Die Frage, warum die Kirche schrumpft, stellt sich nicht. Wer lebt denn in einer Schicksalsgemeinschaft mit Christus, hat ihn als Freund und Herrn angenommen – so wie ich das vorhin beschrieben habe?

Menschen wollen es sehen und erleben, wie andere dieses Christsein leben, damit sie es nachmachen können.

Liebe Brüder und Schwestern: Auf geht’s.

Predigt 3. Sonntag der Osterzeit

Liebe Brüder und Schwestern!

Interessant: Das heutige Evangelium spielt zeitlich vor dem, was wir vorigen Sonntag gehört haben.

Jesus, der auferstandene, erscheint seinen Jüngerinnen und Jüngern. Wissen sie, was mich am Christentum besonders fasziniert – oder am biblischen Gott?

In vielen Religionen gilt es als notwendig, unabdingbar, dass der Mensch sich auf die Gottsuche begibt, wenn er Erlösung, Erleuchtung, Glauben oder was immer finden will.

Bei uns ist es umgekehrt.

Da macht sich Gott auf die Suche nach dem Menschen.

Jesus besucht die Seinen.

Er muss sie, so scheint es, erst nach und nach überzeugen, dass es wirklich er ist, offenbar hat er nicht mehr so ausgeschaut wie sie es von früher gewohnt gewesen sind. Die Emmausjünger erkennen ihn nicht gleich; optisch überhaupt nicht, erst die Geste des Brotbrechens bringt sie zur Gewissheit.

Oder beim Fischfang am See – da ist Jesus nicht durch sein Aussehen erkennbar …

Es muss aber ein paar Erkennungszeichen geben, die die Jünger überzeugt haben von der Wirklichkeit der Auferstehung.

Heute sind es drei oder sogar vier.

Jesus zeigt den Aposteln die Wunden, die Spuren von der Kreuzigung. Greift mich doch an. Es ist derselbe, der am Kreuz gestorben ist.

Der Auferstandene isst ein Stück Fisch vor ihren Augen. Er lebt, es ist kein Geist, schon gar nicht eine Halluzination, Einbildung der Jünger.

Er kennt sie, mit Namen und ihren Eigenheiten; er spricht mit den Jüngern, mit den Freunden über gemeinsame Erlebnisse in der Vergangenheit. Er weiß noch, dass Petrus versprochen hat unter allen Umständen zu ihm zu halten und ihn dann doch verleugnet.

Jesus hat dieselben Wesenszüge, Charaktereigenschaften wie vor seinem Tod. Er ist freundlich, liebevoll, verzeiht, ist barmherzig … hat ein Herz für die Menschen. Hilft, schenkt, steht bei … Seine Persönlichkeit hat sich nicht verändert.

Und er behält die Gesten bei, die er gestiftet hat – das Segnen und Brechen des Brotes. Den reichen Fischfang. Das Nehmen der Angst, das Vergeben der Sünden, das Wiederaufrichten der Gescheiterten, der Versager – Petrus…

Lauter Beweise der Auferstehung.

Wie ist das heute bei uns – jetzt?

Sehen wir Beweise des Auferstandenen – dass er bei uns ist?

Suchen wir sie?

Brotbrechen.

Über ihn erzählen.

Ihn angreifen, begreifen, sehen, erleben wollen … warum bestehen wir nicht auf authentischer Erfahrung? Also, ich möchte ihn sehr wohl sehen, mit Händen greifen. Mich von ihm beschenken lassen. Ihn in mein Leben einladen.

Ist der Glaube an die Auferstehung – nämlich dass der auferstandene Jesus bei uns ist – ganz konkret! – deswegen vielleicht bei uns so blass und kraftlos, weil wir uns nicht trauen, ihn live zu erleben? Wer hat uns denn den Blödsinn eingeredet, dass wir ins Blinde hinein glauben sollen?

Ist Erfahrung nicht weit wichtiger als Etwas für wahr halten – ja das, worauf es ankommt?

Ich bin mit Freude katholisch: Mein Glaube ist konkret, ereignet sich mit allen Sinnen – sehen, hören, schmecken, riechen, reden, hören, fühlen …

Wenn Jesus bereit ist, uns handgreifliche Beweise zu geben – warum um Gottes willen sind wir so dumm oder sündhaft bescheiden – oder vermessen stolz – ich brauch das nicht, hab ich nicht nötig … , dass wir auf sie verzichten?

Schaumgebremst, eingesperrt – und dann wundern wir uns, dass sich keiner für die Kirche interessiert.

Bestehen wir darauf, alles zu erleben, was Gott uns anzubieten hat. Sakramente, seine spürbare Anwesenheit im Gebet und Führung, theologisches Wissen, das Wirken des Geistes, Gemeinschaft, Wunder, Heilung und und und …

Alles für uns.