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Predigt zum heutigen Sonntagsevangelium Joh 13, 31-35

 

Liebe Brüder und Schwestern!

 

Liebe – was ist das? Das weiß doch jeder, oder?

In unserer Sprache haben wir nur ein Wort für alles, im Griechischen, der Sprache, in der das Neue Testament ursprünglich geschrieben wurde, gibt es verschiedene Wörter für die verschiedenen Bedeutungsnuancen.

Eros, lat. Amor – die leidenschaftliche Liebe zwischen Liebespaaren

Agape – Hingabe, selbstlose Liebe im Einsatz für andere

caritas ist nicht identisch, hat eher den Aspekt des Sorgens, care im Englischen

Philia – amicitia – Freundesliebe

Solidarität, Zusammenhalten

 

Liebe hat was mit Gefühl zu tun – aber nicht nur.

Es geht auch um eine Willensentscheidung.

Ich kann einen Feind – nicht gern haben, aber anständig und respektvoll behandeln und ihm helfen, wenn es nötig ist. Jesus verlangt ja von uns: Liebt eure Feinde – tut Gutes denen, die euch hassen – das drückt es genau aus.

 

Jesus fordert uns auf: Liebt einander, wie ich euch geliebt habe.

 

Geht das überhaupt?

Sind wir da nicht überfordert?

Schließlich sind wir nicht Jesus.

 

Wie hat denn Jesus geliebt?

 

Jesus ist voller Achtung für jede/n.

Er begegnet den Menschen auf Augenhöhe – nicht so in der Art: Ihr seid die Armutschkerl, und ich zeige euch, wo es langgeht, ohne mich könnt ihr nichts … so von oben herab – wir kennen bestimmt solche Leute, die in diesem Stil helfen. Solche Liebe, Hilfe, demütigt.

Jesus macht das nicht.

Sehr vornehm, Hilfe zur Selbsthilfe …

 

Jesus hilft bedingungslos.

Stellen wir nicht allzu oft Bedingungen auf, unter denen wir zu helfen bereit sind?

Wir suchen uns aus, wem wir helfen – und gehen noch dazu mit unserer Liebe äußerst sparsam um.

 

Jesus gibt die Hoffnung nie auf, dass seine Liebe Wirkung zeigt.

Wir geben Menschen auf.

 

Wir geben auch selber auf, uns selber gegenüber.

 

Jesus traut jedem Menschen das Beste zu, ungeachtet der Vergangenheit.

Er sieht immer unser höchstes Potential, die guten Möglichkeiten, wozu wir   eintretenden Fall fähig wären.

Ein modernes Sprichwort sagt: Jemanden lieben heißt, in/sie so sehen, wie Gott ihn /sie gemeint hat.

 

Dazu ein Beispiel:

 

In einer staatlichen Schule in einem Armenviertel New Yorks gab es ein 25jähriges Klassentreffen vom Grundschulabschluss. Einer der Jubilare war erfolgreicher bekannter Journalist geworden.

Seine ehemalige Klassenlehrerin ging in diesem Jahr in Pension, und es waren viele ihrer ehemaligen Schüler und Schülerinnen gekommen.

Im Lauf der Feier stellten die Teilnehmenden erstaunt fest, dass sehr viele von ihnen College und Universität besucht hatten, bekannte ÄrztInnen, Universitätsprofessoren, Forscher, Rechtsanwälte, Geschäftsleute und auch PolitikerInnen geworden waren.

Die Absolventen anderer Klassen waren z. T. Schulabbrecher, Kriminelle, Arbeitslose, oder Fabrikarbeiter oder Menschen geworden, die geradeso eben ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten.

Höchst erstaunlich für die heruntergekommenen öffentliche Grundschule in Harlem…

Der Journalist beschloss eine Story zu schreiben. Schnell kam er dem Geheimnis auf die Spur.

Die Lehrerin hatte jedem/r einzelnen Schüler/in vermittelt, dass er/sie jeweils etwas ganz Besonderes sei, spezielle individuelle Begabungen habe, die es sich zu entfalten lohnte. In jedem Kind sah sie die höchsten Möglichkeiten, wozu es fähig sein könnte, wozu der junge Mensch es bringen könnte. So gab sie ihnen Mut, diese auch zu verwirklichen.

 

Wir spüren: wenn alle so lieben würden, würde sich das Aussehen der Erde tatsächlich verändern.

Und dann machen wir uns Sorgen, dass wir das nicht schaffen. Alle, mit denen wir es zu tun bekommen, so sehen, ihre besten Möglichkeiten …

 

Vielleicht reicht es, wenn wir nur so wie er lieben wollen, es versuchen – und den Rest ihm überlassen.

Immerhin versuchen könnten wir es einmal.