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Predigt                                                                        So., 12. 9. 2021

Liebe Brüder und Schwestern!

Was möchten sie in Ihrem Leben alles erreichen? Oder, wenn Sie schon ein langes Leben hinter sich haben: Was hatten Sie als junge Frau, als junger Mann für Ziele und Träume, wie sah gelungenes Leben damals in Ihrer Vorstellung aus? Vielleicht herrschte in Ihrer Kindheit gerade Krieg, dann sehnte man sich einfach nach Frieden. Oder es war schon die Zeit des Wirtschaftsaufschwungs, als eine Zeit lang alles möglich und erreichbar schien.

Fragt man heute Jugendliche, dann nennen sie Gesundheit, Partnerschaft, Familie, Freunde, einen guten Job der Sinn macht, erfüllend ist und Erfolg verspricht, aber auch Freizeit lässt, einen gewissen Wohlstand, politische Sicherheit …

Eigentlich ganz normal.

Es ist aber so, dass viele gar nicht mehr mit der Erfüllung ihrer Wünsche rechnen können. Stichwort Wirtschaftskrise und weltweite Vernetzung auch was Probleme betrifft.

Die Apostel damals hatten, vermute ich, ganz ähnliche Vorstellungen vom guten Leben wie wir heute.

Die Voraussetzungen dafür waren allerdings ungünstig; sie kamen aus der ärmeren Bevölkerungsschicht, lebten in einem politisch unfreien unterdrückten Land …

Vom Messias erwarteten sie, dass sich die allgemeine Lage erheblich verbessert – und als seine Jünger versprachen sie sich in absehbarer Zukunft eine gehobene Position, zu den Oberen Zehntausend zu gehören.

Jesus kündigt an, das haben wir gerade im Evangelium gehört: einsperren und töten werden sie mich …

Klar, dass die gesunde normale Reaktion von Petrus kommt: Nein, also das darf nicht geschehen.

Instinktiv weiß er im Unterbewusstsein, was das nämlich für ihn selber bedeuten würde: dann wird er nicht der 1. Minister des neuen Königs, sondern der erste sein, den es mit dem Rabbi erwischt – mitgefangen, mitgehangen.

Ist mit dem Traum vom gelungenen Leben nicht kompatibel.

Interessant, was Jesus anschließend dazu sagt: Gott will das nicht, er hat einen anderen Traum vom gelungenen Leben für die Menschen als die Allgemeinheit.

Es kann gut sein, dass heute weniger Menschen in die Kirche gehen, weniger auch interessiert mitarbeiten, Verantwortung übernehmen, weil es nicht mehr das gesellschaftliche Ansehen bringt wie vor 50 und 40 Jahren…

Das sind noch Reste der triumphalistischen imperialistischen Kirche des Mittelalters und der Neuzeit, wo man als Nachfolger und Jünger Jesu sehr wohl damit rechnen konnte, in fürstliche Höhen (Bischof) oder zumindest in den Kreis der Dorfhonoratioren (Pfarrer) aufzusteigen.

Wir regen uns eigentlich darüber auf, weil wir wissen, Jesus wollte das so nicht, aber es stört uns doch, wenn wir selber davon betroffen sind.

Wir regen uns ja auch über den Petrus auf, wenn wir das Evangelium von heute lesen – wie konnte der bloß Jesus so gründlich missverstehen …

Was das Engagement heute bringt, ist sicher persönliche Erfüllung (neben der zusätzlichen Arbeit und Terminen über Beruf und Familie hinaus). Wie Freundschaft, die man ja um ihrer selbst willen pflegt, oder Einsatz für gute Ziele im kulturellen und sozialen Bereich.

Wenn wir heute im Jahr 2021 Jesus nachfolgen, dann tun wir das aus Freundschaft zu ihm und untereinander in der Gemeinde. Wenn wir nach außen gehen, dann weil wir wie sein Fanclub uns freuen, wenn andere, möglichst viele, ebenfalls von diesem Jesus begeistert sind.

Wir müssen allerdings sehr wohl damit rechnen, dass sich viele eben nicht für Jesus begeistern, dass viele ihn noch immer oder schon wieder missverstehen und lieber das Triumphalistische hätten.

Dass viele ganz andere Ideale haben als Jesus vorgibt – fern von Menschenwürde und Lebensrecht für alle, abseits von Recht, Freiheit, Gastfreundschaft und Mitmenschlichkeit … sie scheuen den Verzicht, der nötig ist, um das Überleben anderer Menschen und dieses Planeten insgesamt zu sichern …

Jesus lädt uns ein zu einem anderen Leben, zeigt seinen Freundinnen und Freunden vor, wie es gelingen könnte.

„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

Jesus, der selber Gott ist und gerade am Kreuz stirbt, fühlt und erlebt sich von Gott verlassen, allein, getrennt, abgeschnitten vom Heil, vom Leben …

Vor vielen Jahren, 1991 war es, hat der Begleiter bei Exerzitien, die ich gemacht habe, einmal geäußert: Die einzige wirkliche Sünde ist es, Gott nicht zu vertrauen.

Mit „Sünde“ ist hier nicht „Schuld“ gemeint, sondern dem Wortsinn nach „Absonderung, Trennung“- die Annahme, Gott fern zu sein, von Gott vergessen und verlassen zu sein.

Vielleicht ist Gott so nahe, dass wir es nicht sehen können?

So ähnlich, wie wir unsere eigenen Augäpfel nicht sehen oder auch die eigene Nase nicht oder unsere Wimpern …?

Gott identifiziert sich, kommt in unser Inneres …

Ich bin eingeladen, mich an eine schreckliche, ausweglos scheinende Situation in meinem Leben zu erinnern, in eine Zeit großen Leids – und sie heute im Licht dieser Wirklichkeit noch einmal anzuschauen …

Alternative: einen der zahlreich vorhandenen (Internet, Gotteslob, …) Kreuzwege beten …

Predigt                                                    12. So. i. Jk C   22. 6. 2019 Haibach

 

 

Liebe Brüder und Schwestern!

 

Kreuz auf sich nehmen – also ist das Christentum doch wieder so zum Fürchten, wie wir immer geglaubt haben, Hauptsache es freut sich keiner, lebensfeindlich, trist und grau …?

Liebe Brüder und Schwestern, kann es nicht sein, dass mit „Kreuz“ ganz etwas anderes gemeint ist als wir meinen, ja etwas grundlegend Anderes, als Jahrhunderte hindurch verkündet – ich möchte sagen: verzapft – worden ist?

 

Was meint Jesus hier NICHT, wenn er vom Kreuz spricht?

 

Wenn wir genau lesen und zuhören, dann fällt uns auf, dass das Kreuz an die Nachfolge gebunden ist.

 

Unangenehmes, Mühe, Leid, Widrigkeiten aller Art, Verfolgung und Tod, die sonst aus irgendeinem Grund auftreten und Menschen treffen können., haben mit Kreuz, wie Jesus es hier meint, nichts zu tun. Nicht das Geringste.

 

Oft ist kranken Menschen gesagt worden, sie sollen ihre Krankheit, Schmerzen usw. als Kreuz annehmen.

Ja um Gottes willen – erinnert sich von Ihnen jemand, dass Jesus irgendeinem Kranken das geraten hat oder gar empfohlen hat?

Nein, eben.

Im Gegenteil. Jesus hat alle, die ihn darum gebeten haben, geheilt. D. h., ihr Leid, das aus der Krankheit oder Behinderung stammte, beseitigt.

Ebenso gilt das für Not und Unrecht in jeder Form.

Oder unerträgliche Situationen – Mobbing, schlechte Behandlung, Gewalt usw. … nirgends in der Bibel steht, dass man so etwas schweigend hinnehmen und ertragen soll, im Gegenteil – Gott ist immer der, der darauf Auswege zeigt und schafft und diese gehen hilft – denken wir nur an die Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei.

 

Jesus spricht vom Kreuz zu denen, die er in seine Nachfolge ruft.

Diese, wenn Menschen ehrlich versuchen, das Evangelium zu verkünden, zu leben, in prophetischer Weise, wird mit Kreuz, Verfolgung nämlich, verbunden sein, und zwar unweigerlich.

Klar – alle, die Nutznießer der Unrechtsverhältnisse sind, wehren sich gegen die Veränderung.

Die Ägypter wollten natürlich die hebräischen Gratiszwangsarbeiter nicht ziehen lassen.

Die Plantagenbesitzer des amerikanischen Südens und Südafrikas wehrten sich gegen die Sklavenbefreiung und gegen die Apartheid.

Die Großgrundbesitzer und Reichen Lateinamerikas wehren sich gegen die Theologie der Befreiung – wenn alle Menschen gleiche Rechte haben, ja wo kommen wir da hin, wo bleiben unsere Gewinne, wenn wir einen gerechten Lohn zahlen müssen, von Krankenversicherung ganz zu schweigen … und wenn wir nicht einfach Land beanspruchen können, wie es uns günstig erscheint, wenn die Ureinwohner Recht auf ihre Regionen haben, …?

Bei uns heute wird die Caritas und Diakonie verunglimpft, weil Menschen sich gestört fühlen und bedroht, es könnte ihnen was weggenommen werden, wenn für Arme gut gesorgt wird…

Männerbünde fühlen sich bedroht, wenn Frauen alles werden dürfen … weil dann plötzlich Qualität und Fähigkeiten zählen statt Beziehungen …

Starre Systeme jeder Art, das kann in der Familie sein, in einer Firma, einem Verein, einer Pfarre, einer gesellschaftlichen Gruppe …, wehren sich – je erstarrter desto mehr – wenn jemand den Finger auf den wunden Punkt legt. Da brauchen wir uns nur manche Kreise in der Kirche anschauen, wenn von Gleichberechtigung der Frauen in Bezug auf Priestertum und Kirchenleitung die Rede ist…

Wer Unrecht begeht, zulässt, gutheißt, duldet oder verschweigt oder die Augendavor verschließt, um seine Ruhe zu haben, wird aus der Komfortzone gerissen, wenn dies Unrecht benannt wird und wenn es Versuche gibt, es zu ändern.

Menschen, die prophetisch genau dies tun, haben natürlich mit Anfeindung, mit Nachteilen zu rechnen.

Dies ist das Kreuz, mit dem christliches Engagement verbunden ist.

Thomas Becket, Franz Jägerstätter, Johannes Nepomuk, Josef Hehenberger, Bischof Oscar Romero, Jesuiten in Lateinamerika – politische Märtyrer.

 

Wo die Kirche angefeindet wird – natürlich nicht wo sie selber echtes Unrecht begeht, sondern beim Engagement für Flüchtlinge etwa, für den freien Sonntag, für Sozialgesetze …) ist das ein ziemlich tauglicher Hinweis darauf, dass wir auf der guten Spur Jesu sind.

In diesem Sinne: auf, folgen wir ihm nach!