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Predigt                                                                St. Leonhard, 6. 11. 2022

Liebe Brüder und Schwestern, liebe Kinder!

Ich bin gekommen, den Gefangenen die Entlassung zu verkünden.

So stellt sich Jesus vor in seiner Antrittsrede in Nazaret.

Das Befreien von zu Unrecht Gefangenen gehört zutiefst und schon seit den Anfängen zur christlichen Tradition. Der Messias wurde zunächst als Befreier von (politischen) Gefangenen erwartet, die gab es nämlich, man hatte ja die römische Besatzungsmacht im Land …

Die ersten Christen haben Geld gesammelt, um getaufte Sklaven freizukaufen, man empfand es als absolut unpassend, dass Getaufte, freie Bürger des

Reiches Gottes, im römischen Staat als Unfreie leben sollten, und hat etwas dagegen unternommen.

Wenn wir uns bei Amnesty International oder CSI, Christen in Not für politisch, weltanschaulich oder religiös Verfolgte einsetzen, stehen wir in einer guten Tradition.

Jetzt hat aber das Befreien, das Lösen oder Sprengen von Ketten weitere Dimensionen.

Zunächst das Befreien aus dem Tod. Es gibt eine Reihe von Bildern, die Jesus als Auferstandenen zeigen, wie er an den Händen links und rechts die Verstorbenen aus der Unterwelt herausholt ins Licht, in seinen Bereich, in den Himmel.

Dann natürlich das Befreien von der Sünde, das Jesus bewirkt. Und da steckt mehr dahinter als die schnelle Lossprechung nach einer noch schnelleren Aufzählung von Verhaltensweisen, die uns verkehrt vorkommen.

Der Heilige Leonhard ist auch einer der Schutzpatrone für eine glückliche Geburt.

In den letzten Monaten ist in mehreren Industrieländern wieder neu die Abtreibungsproblematik ins Blickfeld gerückt.

Gesetzliche Lösungen wie z. B. in Österreich die Fristenlösung, wo eine Abtreibung gesetzlich verboten ist, aber unter strengen Voraussetzungen nicht strafrechtlich verfolgt wird, sind in weiten Teilen der USA und in Polen derzeit nicht mehr möglich.

Selbstverständlich sollen Menschen, v. a. Christen, Menschenleben schützen.

Die sog. Fristenlösung bei uns und anderswo ist aber das geringere Übel.

Es ist nämlich genauso das Leben der beteiligten Mutter schützenswert.

Wie kommt eine Frau dazu, ihr Kind nicht bekommen zu wollen?

Fragen wir nach dem beteiligten Vater.

In sämtlichen Fällen handelt es sich um eine Gewaltbeziehung. Um nicht einvernehmlichen Sex – wo der Mann nicht nach Verhütungsmitteln fragt. Wo es keine Kommunikation auf Augenhöhe gibt.

Der Mann verschwindet dann … oder er stellt die Frau vor ein Ultimatum: das Kind oder ich – von ihm ist sie aber finanziell abhängig, sie und die 3 Kinder, die es vielleicht schon gibt… oder es ist eine unterdrückende Familiensituation, wo die junge Frau in ihrer Herkunftsfamilie mit dem Schlimmsten rechnen muss…aber – in Migrationsfamilien – den Kindesvater, den Freund gar nicht heiraten darf, weil die Familie einen anderen Kandidaten ausgesucht hat …gibt es aber in alteingesessenen österreichischen Familien genauso – da darf auch nicht jede jeden heiraten, ohne ev. größten Unmut zu erzeugen…

Solche Mädchen und Frauen werden eine Abtreibung durchführen, weil sie sonst selber nicht mehr leben könnten. Illegal und nicht von Arzt oder Ärztin, sondern mit Pfuschmethoden. So bringen sie ihr Leben erst recht in Gefahr.

Der Hl. Leonhard würde heute vermutlich Mutter-Kind- Wohnungen initiieren.

Jesus ist gekommen, um Ketten jedweder Art zu entfernen, im übertragenen Sinn: er möchte uns den Klotz am Bein entfernen, der uns am glücklichen Leben hindert.

Was können wir tun?

Halten wir Jesus unsere Ketten hin, die wir aus eigener Kraft nicht loswerden: Gewohnheiten, Denkweisen, verfahrene Situationen, alles wo wir glauben es muss so sein aber im Grunde darunter leiden, fixe Vorstellungen, Festlegungen anderer, wie wir angeblich immer seien oder zu sein haben, gesellschaftliche Schranken, Standesdünkel, Feindschaften, Beziehungen, Gruppenzwänge, Süchte, seelische und körperliche Krankheiten… die Weltlage und und und …

Wir brauchen nur sagen, wir wollen das nicht mehr…

Heilige haben die Aufgabe, auf uns Menschen ein bisschen ein Auge zu haben – wie ältere Geschwister auf Kleinere. Bitten wir den Heiligen Leonhard, dass er sich für uns einsetzt, wo wir unfrei sind. Als Befreier aktiv wird Jesus, Gott, selber.

Wir brauchen uns nur überraschen lassen, wie und wie sehr.