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eine meiner Predigten aus dem Jahr 2012                                              

 

 

 

Jesus heilte viele, die an allen möglichen Krankheiten litten. Im Lukasevangelium heißt es : Er heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden.

 

Vielleicht hat der eine oder andere von Ihnen im ORF 3 am Mittwoch den Spielfilm „Lourdes“ gesehen.

Es geht um eine junge Frau, die an multipler Sklerose leidet, nicht mehr gehen kann und im Rollstuhl sitzt. Sie schließt sich einer Pilgerfahrt nach Lourdes an. Soweit ganz normal – das Furchtbare sind die Details: Niemand glaubt wirklich an die Möglichkeit der Heilung. Ja, niemand gönnt es den Geheilten – gerade noch einem Kind – von entsetzen gebeutelt verfolgt man den Verlauf des gespielten Beichtgesprächs, in dem der Priester der Kranken den Wunsch, geheilt zu sein und, wie sie es ausdrückt, „ein normales Leben zu führen“, auszureden versucht.

Kurzfristig entmutigt, denkt die junge Frau aber gar nicht daran, ihren Glauben und ihre Hoffnung aufzugeben. Und das Unerwartete geschieht:

Zum – fast möchte man sagen: zum Entsetzen der Mitreisenden erhebt sie sich einige Tage später aus dem Rollstuhl und kann gehen.

Die anderen Pilger, vor allem zwei alte frömmlerische rechthaberische Schwestern oder Freundinnen, murren miteinander: Warum gerade die – ist sicher nicht fromm genug – im Gegensatz zu ihnen selber natürlich -, erschütternd auch, wie die Geheilte vor dem Mikrofon frei stehend Zeugnis gibt, von ihrer Heilung erzählt – und wie bei der gleichen Veranstaltung der die Pilgergruppe begleitende Priester in einer Rede betont, dass eine Heilung nur „echt“ sei, wenn der Betreffende im weiteren Leben frömmer als vorher ist, heiliger geworden ist … usw.

Gerade so als ob Jesus angesichts der Volksmassen vor jeder Heilung ein feierliches Versprechen von den einzelnen Kranken verlangt hätte, sie müssten ab jetzt 200prozentige Juden sein o. ä.

 

Jedenfalls schlägt der jungen Frau im Film so viel an Neid und Missgunst entgegen, in der Schlussszene geht sie zu ihrem Rollstuhl, setzt sich hinein und lässt sich wegschieben. Es bleibt die Frage offen, ob es für sie erstrebenswerter gewesen wäre, gelähmt, aber geliebt zu sein. Ich war jedenfalls sehr nachdenklich nach diesem Film.

Sie wissen, dass ich zwischen meinem 23. und 25. Lebensjahr krank war, und ich habe befremdliche Äußerungen von Priestern damals über mich ergehen lassen müssen.

Einem Leidenden einreden zu wollen, er oder sie solle sich mit der Situation abfinden, die Krankheit als „Kreuz“ annehmen oder froh sein, denn wen Gott liebt, den züchtigt er – manche Kranke jammern: wofür straft mich Gott denn mit der Krankheit … – all das hat mit der frohen Botschaft, dem Evangelium nichts zu tun.

Nirgends wird überliefert, dass Jesus zu irgendeinem kranken Menschen gesagt hätte: ja, die Krankheit sei bestimmt Gottes Wille, mach das beste draus. – Und seiner Wege gegangen ist.

Die Esoterik spricht davon, dass man aus der Krankheit lernen könne – und gefälligst auch etwas zu lernen habe.

Liebe Schwestern und Brüder, das einzige, was aus einer Krankheit gelernt werden kann, besteht darin, wenn sie Folge menschlichen Lebens im Ungleichgewicht ist: falsche Ernährung, zuviel Alkohol oder Genussmittel, Arbeit, zuwenig Schauen auf sich selber, zuwenig Freizeit, Schlaf und Sport … zuwenig soziale Kontakte – Krankheit hat den Sinn, dass Menschen die Scheu ablegen, andere um Hilfe zu bitten… – dass man das in Zukunft vermeidet.

 

Die biblische Botschaft lautet: Gott will Krankheit nicht, die Vorgeschichte spielt keine Rolle – Gott ist nicht nachtragend – jedem Kranken, der Jesus darum gebeten hat, wurde umgehend Gesundheit geschenkt.

Die Liebe Gottes ist bedingungslos und unermesslich.

 

Es ist oft davon die Rede, dass Jesus Dämonen austreibt.

Diese Fehlhaltungen, die Gottes Botschaft verdrehen – Menschen klein halten wollen, Unterwürfigkeit und Minderwertigkeitskomplexe mit Demut verwechseln – du bist ja nichts, du bist ein unwürdiger Sünder, dieses mangelnde Selbstbewusstsein, die fehlende Überzeugung, dass Gott mit dem normalen Menschen direkt in Kontakt treten kann und will – dass Menschen Angst vor Gott haben. Dass sich wer fromm vorkommt, indem er unbarmherzig über andere ein Urteil fällt: jemandem die Liebe, das Interesse, die Aufmerksamkeit Gottes absprechen – den Wert und die Würde.

 

Die Heilungen sind die sichtbare Seite der Verkündigung Jesu.

Wir Christen sind so glaubwürdig, wie wir uns für das Ganz- und Heilwerden, für das Aufrichten Bedrückter, für Gerechtigkeit und Freiheit Unterdrückter, für die Menschenrechte und Menschenwürde, für Leben, Freude einsetzen. Dies alles für möglich halten – für uns selbst und für andere.