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Predigt     Firmvorstellung                           5. Fastensonntag 2022

Liebe FirmkandidatInnen! Liebe Brüder und Schwestern!

Aha, auf frischer Tat ertappt.

Kennen Sie das auch: Jemanden einmal so richtig bloßstellen, alle Fehler und Mängel ans Licht zerren und an die Öffentlichkeit, jetzt sagen wir es dem einmal so richtig hinein …

Die Ankläger sind in der Mehrheit – wir wunder uns heute, was die Leute das angeht, wenn jemand in der Ehe fremdgeht.

Ist alles privat. Denen ihre Angelegenheit.

Damals war das nicht so.

Frau und Mann waren rechtlich in keiner Weise gleichgestellt.

Die Frau galt als so etwas wie das Eigentum des Mannes. Wenn sie ihn betrügt, ist das quasi eine Besitzstörung – umgekehrt höchstens ein Charakterfehler des Mannes, ein Kavaliersdelikt.

Das hatte sich historisch so entwickelt. Im jüdischen Gesetz, in der Tora, in der Bibel, steht nichts davon. Da gilt für beide, Frau und Mann, auf Ehebruch steht die Todesstrafe.

Aber – Die Männer hatten die Macht und haben sich’s gerichtet. Dagegen ist auch das Gebot Gottes offenbar machtlos…So fromm sie sich auch geben: Wenn es ihre eigenen Vorteile stört, ist ihnen Gottes Wort denkbar wurscht.

Es ist schon richtig: die Frau ist schuldig. Sie wehrt sich auch nicht.

Aber die Selbstgerechten übersehen und übergehen die höhere Gerechtigkeit:

Vermutlich haben sie schon länger vom Verhältnis dieser Frau gewusst. Wahrscheinlich war ihr Geliebter einer aus ihrem Kreis, vielleicht Sohn oder Bruder oder Geschäftspartner. Der war ihnen mehr wert – sie haben dafür gesorgt, dass er das Weite suchen kann.

Sie messen also mit verschiedenem Maß.

Zweitens: Sie stöbern die Frau gerade jetzt auf, weil sie sie brauchen können, um Jesus eine Falle zu stellen. Um ihn aufzublatteln. Ginge es ihnen nicht darum, sondern wirklich um Recht und Ordnung, hätten sie das Paar möglicherweise ungestört weiter machen lassen.

Und Jesus spürt das.

Es geht nicht um den Bund mit Jahwe. Es geht nicht um das Gesetz, und es geht schon gar nicht um diese Frau.

Und da schafft er Ordnung. In genialer Weise.

Ihm geht es um Jahwe, um das Gesetz und um die Frau. Das ist eine höhere ORDNUNG UND EINE TIEFERE; STIMMIGERE GERECHTIGKEIT:

Da täte es gut, wenn wir uns etwas von Jesus abschauen.

Der Mensch steht im Mittelpunkt.

Beim Vorbereiten des Gottesdienstes hat die Firmgruppe gleich ein paar Beispiele gefunden, wo Unrecht zum Recht erklärt wird – die Gesetze in der Nazizeit, Putin und seine Diktatur in Russland; die Rassentrennungsgesetze, die es in Südafrika oder in den USA gab, gegen die Martin Luther King aufgetreten ist, die Gesetze in vielen Staaten des Orients, wo für Frauen andere Rechte gelten als für Männer, wie seit letztem Sommer wieder in Afghanistan.

Unrechte Gesetze sind immer Egoismus einzelner oder von Gruppen, der sich als rechtmäßig ausgibt. Machtmissbrauch.

Gottes Gebote und gute Gesetze hingegen sorgen immer dafür, dass die Schwächeren zu ihrem Recht kommen.

Aber solche Anwandlungen kennen wir auch.

Bei uns sind es meistens Traditionen oder Gewohnheiten, die sich eingeschlichen haben.

Ein Cliquenzwang – wo feststeht, wo jemand wieviel mitmachen muss, um als Mitglied anerkannt zu werden.

Wieviel Ausbildung in einer Familie für die Mitglieder als gut empfunden wird. Was Söhne und was Töchter in der Freizeit machen dürfen. Wie lange ausbleiben z. B. Wer was im Haushalt helfen muss …

So etwas ist für die Nutznießer möglicherweise ganz angenehm … eine Zeit lang – aber macht das glücklich?

Natürlich nicht.

Gott möchte, dass wir glücklich sind. Und zwar alle Menschen auf diesem Planeten.

Deswegen gehört Sünde als solche benannt, deshalb ist Umkehr erforderlich. Vor allem bei der irrigen Vorstellung, Menschen könnten jemals Mittel zum Zweck sein.

Wenn wir etwas von anderen verlangen oder erwarten: passen wir auf, ob wir selber bereit wären, das zu machen.

Gottesbilder

Ein Hindernis auf dem Weg zum Glauben, zum Gottvertrauen kann eine Vorstellung von Gott sein, die mehr abschreckend als hilfreich ist.

Viele stellen sich unter „Gott“ noch immer diesen alten Mann mit dem weißen Bart vor – wie Michelangelo ihn in der Sixtinischen Kapelle gemalt hat.

Jahrhunderte hindurch wurde von den Mächtigen ihrer Zeit über Gott in einer Weise, dass er dem Feudalherrn, dem Kirchenfürsten, dem König, dem Gutsherrn, dem Großbauern … sehr ähnelte.

Die wichtigste Botschaft war denn auch: Gehorsam.

So ein Gott hat Untertanen und Diener/innen, hat absolute Macht, duldet keine Widerrede und kein Abweichlertum – wer zur Großfamilie oder zur Grafschaft, zum Königreich nicht gehören wollte, wurde eines Besseren zwangsweise belehrt – oder musste das Weite suchen.

Da war folgendes passiert: Die Obrigkeiten dieser Welt hatten sich ein Bild von Gott nach ihrem eigenen Bild gemacht – und weil die kirchliche Verkündigung sakrosankt war, unangreifbar, „ewige Wahrheit“, zementierten sie so ihre eigene Machtstellung immer weiter ein.

Dieses Tun steht in diametralem Gegensatz zu dem, was die Bibel fordert.

Im Alten Testament gibt es das sogenannte Bilderverbot: Du sollst dir kein Bild (von Gott) machen, das 2. Der 10. Gebote.

Die Propheten des Alten Bundes prangern solche Erscheinungen an. Die Menschen damals dürften bereits dieser Versuchung erlegen sein, von Gott so zu reden, als ob er eine Verlängerung, Überhöhung, himmlische Beglaubigung ihrer selbst wäre – als ob sie göttlich beauftrag wären, „Herren“ zu sein über Knechte, Frauen, Arme, Andersdenkende …

„Das, was ihr verkündet, ist nicht Jahwe, das ist Baal“ (vgl. z. B. Jer 7 und 8)

Der Gott der Bibel steht ausnahmslos auf der Seite der Kleinen, der Benachteiligten, Schwächeren, ist der Anwalt und Verteidiger der Fremden, Witwen, Waisen und Armen.

Was in der Bibel (noch) nicht ausdrücklich formuliert ist: die Tatsache, dass Gott kein MANN, kein ER ist. Sondern: Reiner Geist, Vater UND Mutter, Freundin UND Freund, … Jahwe („ich bin da bzw, ich bin präsent, für euch da, anteilnehmend da …“) ist ein Tätigkeitswort und eben darum geschlechtsneutral.

Der Gottesname durfte und darf bis heute im Judentum nicht ausgesprochen werden; es wurde üblich !Adonai! statt dessen zu sagen, wenn Bibeltexte vorgelesen wurden. Das heißt „Herr“, klingt also männlich – und beeinflusst das Denken und die christlich- jüdische Vorstellungswelt bis heute.

Jesus (als Mensch Jude und Orientale) hat auch nicht vom „Vater“ geredet, sondern „abba“ gesagt – das ist der Papa, der das Baby wickelt, füttert, herumträgt, … voller Zärtlichkeit.

Morgen gibt es mehr zur weiblichen Seite Gottes!

Heute ist es gut, dies noch einmal durchzulesen – und mit Jahwe ins Gespräch zu kommen – und wenn es nur ein paar Minuten sind!