Predigt Ökumenischer Gottesdienst 2020
Liebe Brüder und Schwestern!
Die Worte, die wir gerade im Evangelium gehört haben, erschrecken mich, wenn ich ehrlich bin. Jahrhundertelang wurden sie zum Anlass genommen, andere Menschen zum Christentum zu zwingen oder auch wieder katholisch zu machen… mit Gewalt, ohne Rücksicht auf Verluste, Macht auszuüben oder besser gesagt zu missbrauchen – Kirchenobrigkeiten haben allen Ernstes tatsächlich geglaubt, dass außerhalb der eigenen Kirche, der eigenen Konfession kein Heil zu erwarten wäre … und wer nicht dazugehört, ist verdammt.
Der Apostel Paulus würde uns zeigen, was tatsächlich gemeint ist. Er hat am eigenen Leib erfahren, wie das gehen kann, Menschen zu JüngerInnen zu machen, nicht des Papstes oder der Kirche, sondern wirklich zu Jüngern, zu Schülern Jesu.
Wir haben die lange Lesung aus der Apostelgeschichte gehört.
Was geschieht da?
Ein tagelanger Sturm.
Die Römer wollen die Gefangenen, die sie nach Rom bringen sollen, umbringen, damit sie sie los sind – bzw. damit sie nicht ausreißen.
Dazu kommt es aber nicht.
Dann der Schiffbruch, und die überaus, alles Erwarten übersteigende Freundliche entgegenkommen der Malteser -Feuer, Wärme, Unterkunft, trockener sicherer Schlafplatz, Erholung für ein paar Tage, ruhe, Freundlichkeit. Essen, warme Getränke…
Diese Bewohner der Insel Malta waren bereits JüngerInnen Jesu, obwohl sie nie zuvor von ihm gehört hatten.
Sie haben gehandelt, wie er es tun würde, wie er es von seinen SchülerInnen verlangt.
Dass Paulus in den paar Wochen, die er auf Malta verbringt, von diesem Jesus erzählt, das fällt auf fruchtbarsten Boden.
Das Vorbereitungskomitee des Gottesdienstes hat sich etwas dabei gedacht.
Im Jahr 2015 war ich Pfarrassistentin in Braunau – St. Franziskus.
Im September begann der Flüchtlingsstrom – an ein zügiges Durchkommen in den Durchzugsstraßen Braunaus war nicht zu denken. Die Brücke nach Simbach, nach Deutschland, war gestopft voll mit Menschen, die zu Fuß über die Grenze wollten.
Ein riesiges Zelt wurde aufgestellt, um als Zwischenstation für die vielen zu dienen, die Polytechnische Schule war bald zu klein geworden.
Irgendwann haben Menschen der Pfarre begonnen, täglich einen heißen Eintopf auf dem Brückenkopf auszugeben. Es kamen 5000 jeden Tag. Tagelang hatten sie von Broten und Obstgelebt. Ohne Möglichkeit, sich zu waschen, zu duschen.
Die evangelische Pfarre und die katholische Pfarre im Stadtzentrum, beide in der Nähe der Brücke, öffneten die Pfarrheime – auch dort gab es warmes Essen.
Zusammenarbeit aller Engagierten stand auf der Tagesordnung. Monatelang. So lange der Zustrom eben dauerte.
In Situationen wie dieser spüren Menschen intuitív, worauf es ankommt. Und worauf auf jeden Fall nicht: auf einen genauen Wortlaut des Glaubensbekenntnisses, auf dogmatische Fehlerlosigkeit, …
Jünger damals im Judentum verbrachten das Leben mit dem Rabbi – sie lernten nicht nur das, was er lehrte durch Worte, sondern weit mehr durch die Art, wie er sich verhielt, wie er handelte, dachte, sein Leben gestaltete…
Wenn Jesus sagt, macht alle Menschen zu meinen Jüngern, dann meint er genau das, dass sich alle so verhalten sollen, wie er …
Das ist es, was Christen weltweit verbinden und kennzeichnen, auszeichnen sollte: das Verhalten, an dem man ablesen kann, wie Jesus es gemeint hat.
Und wenn wir als Christen Jesus so verkörpern, durch unser Verhalten beweisen, dass er sowieso bereits in uns wohnt, dann erübrigen sich sämtliche Diskussionen, wer ev. die Kommunion empfangen darf oder nicht.
Der Kirche ist es die längste Zeit so gegangen wie in der folgenden Geschichte:
“Von der Rettungsstation zum Clubhaus” (Hoffsümmer: Kurzgeschichten 1. Mainz, 5. Aufl. 1983, S. 49 f) – Text morgen im Blog
Und jetzt, liebe Brüder und Schwestern, seien wir so gut und machen wir Schluss damit.
Wir haben da diese Ruder: Wenn wir sie nicht benützen, treibt das Christentum auf der Stelle, dümpelt dahin. Also: Rudern wir gemeinsam, bringen wir das Kirchenschiff auf Kurs. Miteinander.