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Trotz allem – und erst recht!

Weihnachtspredigt 2023

Liebe Brüder und Schwester, liebe Kinder!

Je länger der Advent dauert – gegen Weihnachten hin -, hört man, auch oft in der Kirche, die Klage: Vor lauter Vorbereitungen, Vorweihnachtsstress, einkaufen, backen, Punschständen, … vergessen die Menschen auf den eigentlichen Sinn des Festes, denken nicht an Gott usw.

Aber: Das ist vielleicht gar nicht so weit vom tiefen Sinn von Weihnachten entfernt.

Die Heilige Familie damals, so erzählt es das Evangelium, diese Herbergsuche in Betlehem, das Nicht-Aufgenommenwerden, der Stall, die Armut, die Notsituation: Ich denke mir, die haben vielleicht auch gerade keinen Nerv gehabt, an Gott zu denken…

Wir fragen uns : Wie können wir Weihnachten feiern angesichts der momentanen Weltlage? Katastrophal fast überall, Kriege, Unfrieden, Naturkatastrophen, Krankheiten, – auch wenn es uns selber gerade nicht betrifft – oder doch: Wir hatten jetzt 2 Tage und Nächte Sturm …

Die wirklich gute Botschaft von Weihnachten:

Gott ist Mensch geworden. Da überall mitten drin. Nicht nur dass er es versteht, sondern er hat es am eigenen Leib erfahren.

Wir haben ja öfter so eine Vorstellung: der Gott der Philosophen: weit weg, der über den Himmeln thront, der unbewegte Beweger, schon allmächtig, aber nicht besonders interessiert an uns … oder die heidnische Vorstellung. Wir müssten uns etwas Besonderes einfallen lassen, damit Gott aufmerksam wird auf uns. Oder uns wohlverhalten, damit er bereit ist, uns zu helfen.

So ist Gott aber nicht.

Gott ist mitten drin. Auf diese Erde gekommen, nicht um sich herauszuhalten, sondern um mitzumischen.

Gerade in Situationen, wo es uns beutelt, wo es stressig ist und zugeht und drunter und drüber geht, wir nicht ein noch aus wissen, – natürlich auch wenn wir uns freuen und eine gute Gemeinschaft haben zu Weihnachten und in großer Fülle feiern, Gott freut sich ja, wenn es uns gut geht – jedenfalls immer wenn wir keinen Nerv dafür haben, an Gott zu denken, gar nicht zu reden vom Beten: Genau in diesen Momenten und Zeiten denkt er – oder sie 😊 – an uns. Ist dabei und mitten drin.

Und weil das so ist, kommen wir möglicherweise auf gute Ideen, Lösungswege, weil wir nicht allein gelassen sind hier und jetzt, sondern spüren und wissen: Gott ist da.

Frohe Weihnachten!

Predigt                                        Christmette 24. 12. 2022, 22.00     Haid

Liebe Brüder und Schwestern!

Vor nicht einmal 2 Wochen haben wir das Finale der Fußballweltmeisterschaft miterlebt. Die Stars, Torkönige, werden da mitunter auf Händen über das Spielfeld getragen.

Wir haben hier bei uns die vielen Hände aus Papier zu einer Decke zusammengefügt – sie liegt in der Krippe und ist uns ein Zeichen dafür: Wir wollen Jesus mit unseren Händen tragen, in unser Leben einladen…aufnehmen bei uns.

Dies können wir auf verschiedene Weise tun:

  • Wir laden Jesus in unser Leben ein als Star. Wir kommen zu seinen Events – an Sonn- und Feiertagen in die Kirche und jubeln ihm vielleicht da auch zu; zu Hause haben wir ein Bild von ihm hängen oder sein Zeichen, das Kreuz um den Hals…
  • Oder wir nehmen ihn vielleicht auf als Besucher. In unser schön hergerichtetes Wohnzimmer, mit unserem Sonntagsgesicht. Mit unseren Nöten undSorgen, mit unseren Problemen und Handicaps, mitSchuld und Misserfolg behelligen wir ihn nicht. Natürlich nicht. Wir wollen einen guten Eindruck hinterlassen.
  • Wir können jesus aber auch in unser Leben, in unser Lebenshaus einladen als Verwandten, als Familienmitglied oder wie einen besten Freund. Wir teilen Freud und Leid mit ihm, bitten und erwarten seine Hilfe. Wir sind im Alltag mit ihm verbunden.
  • Manche laden Jesus ein, wie man einen Arzt holt oder vielleicht die Feuerwehr: Im Notfall. Dann aber soll er bitte sofort und effektiv helfen. Gern zeigen wir uns im Erfolgsfall dann auch erkenntlich…
  • Wir können Jesus noch aufeine weitere Art in unser Leben einladen: Als Eigentümer. Als Hausherrn. Wir können ihm unser gesamtes Leben mitsämtlichem Zubehör anvertrauen, übereignen. Heile mich. Leite mich. Lehre mich. Stärke mich.

Er wird dann etwas tun, womit wir möglicherweise nicht gerechnet haben: Er wird aufräöumen. Ordnung schaffen. Wurscht, wie arg es grade ausschaut da.

Gott ist im Stall geboren.

Da ist es dreckig. Es stinkt. Keine feine Umgebung.

Der kleine menschgewordene Babygott wird in Windeln gewickelt. Weil er sie braucht.

In der Antike, in den ersten 300 – 500 Jahren der Christenheit, gab es einflussreiche Irrlehrer. Theologen, z. b. Markion,diegemeinthaben: Gott in Windeln? Unmöglich. Kann ich mir nichtvorstellen. Braucht der doch nicht, wenn es denn Gott ist.

Schafft mir die Windeln aus den Augen, die haben im Evangelium nichts verloren…

Aber: Gott ist Mensch geworden.

Nichtsdestoweniger ist er Gott.

Wenn es in meinem Leben zugeht wie in einem Saustall, wenn es drunter und drüber geht und zum Himmel stinkt: Ich darf das Gott nicht nur zumuten. Er ist genau aus diesem Grund Mensch geworden, damit wir uns nicht scheuen, mit allem, mit wirklich allem und jedem unter allen Umständen zu ihm zu kommen. Damit er Ordnung macht. Ausmistet. Reinigt und heilt.

Gott hält mein Chaos aus. Ja er möchte eingeladen werden genau da hinein. Mensch geworden ist er exakt aus diesem Grund, nichts Menschliches ist ihm fremd.

Gott selber will zu uns kommen. Wir müssen nur eines tun: Ihn einladen dazu, ihn aufnehmen. Öffnen wir unsere Hände zu einer Schale. „Herzlich willkommen, da hast du mich, wohne in meinem Leben, gestalte es um wie es gut ist in deinen Augen. Fülle den Raum, sodass alles recht wird …“

Öffnen wir uns – und Wunder werden geschehn. Nicht nur in dieser heiligen Nacht.

Predigt                                                              Christmette 2020

Liebe Brüder und Schwestern!

Wir haben oft den Eindruck, Weihnachten ist ein beschauliches, ruhiges Fest – oder sollte es zumindest sein. Vielleicht haben wir als gute Christen sogar ein bisschen ein schlechtes Gewissen, wenn wir noch kurz vor dem Heiligen Abend ziemlich gestresst sind.

Das Weihnachtsevangelium, das wir gerade gehört haben und das wir jedes Jahr wieder hören, spricht aber gar nicht von beschaulicher Ruhe.

Im Gegenteil: Ganz schön viel ist in Bewegung.

Schon der kaiserliche Befehl verursacht jede Menge Bewegung: Die Boten der Regierung strömen durchs ganze römische Reich.

Die Menschen sind unterwegs wegen der Volkszählung.

Maria und Josef suchen eine Unterkunft. Der Brauch des Herbergsuchens zeugt davon.

Die Hirten, eigentlich Nomaden, sind sowieso immer unterwegs, führen ein unstetes Leben ohne festen Wohnsitz.

Die Engel begeben sich vom Himmel auf die Erde, zu den Hirten und zum Stall.

Sogar der Stern von Bethlehem wird als Komet dargestellt, der vor den drei Weisen herzieht, aber davon später.

Auch die Geburt ist Bewegung: aus dem Mutterleib heraus in diese Welt, ins Freie.

Die Hirten kommen zur Krippe.

Und es dauert nicht lange bis zur Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten …

Gottes Kommen in die Welt bringt einiges in Bewegung, wenn nicht alles.

Es ist wie ein Umsturz des bisher Geltenden, eine Neuordnung.

Wenn man etwas neu ordnet, muss man es – alles – auch zuerst einmal vom gewohnten Platz weg bewegen.

Gott kommt zu uns Menschen, wird ganz menschlich: Er kommt mitten in unsere Hektik und Unordnung hinein, selbst ohne festen Wohnsitz, und die Nomaden, die keinen haben, bemerken und begreifen das als erste von allen …

Möglicherweise liegen wir falsch, wenn wir meinen, Gott käme, sobald alles ruhig und friedlich ist, geordnet und sicher.

Vielleicht ist es im Gegenteil gerade das Unstete, Ungesicherte, Improvisierte, die ungewisse Zukunft, der Gelegenheitsjob, die Übergangslösung, die getrennte und neu zusammengewürfelte Familie, die Flüchtlinge ohne Aufenthaltsgenehmigung, das Land ohne eigene Regierung, der viel Arbeitende, dem auf einem seiner gestressten Wege durch die Stadt kurz der Gedanke kommt, er könnte für einen Moment in die Kirche da hineinschauen …

Ja, vielleicht kommt Gott unangemeldet, ungeplant, im falschen Moment und zwischendurch … schneller und lieber und leichter, es käme nur drauf an, ihn zu bemerken …

Im AT ist Gottes Wohnung immerhin ein Zelt. Das ist etwas, wo man sich nicht fix niederlassen kann.

Als er Mensch wird, tut er das in einer Notunterkunft für Hirten und Tiere.

Alles bringt er durcheinander und in Bewegung: Die Weltordnung wird eine andere. Was Mächtige für unwichtig und vernachlässigbar halten (ein Kind armer Leute am Rand der Welt), wird zum Wesentlichen. Das übliche Verhalten wird als menschenfeindlich entlarvt. Die Menschen unten und am Rand der Gesellschaft, die in Unsicherheit und ständiger Bewegung leben müssen, sind die, auf die es ankommt, sind diejenigen, die Gottes Liebe zu spüren bekommen.

Die, die ihre starre Ordnung hinter geschlossenen Türen ängstlich zu bewahren suchen, bekommen nichts davon mit – höchstens eine kurze Störung merken sie, die sie aber nicht an sich heranlassen. Augen, Ohren, Herzen und Türen bleiben zu – angefangen in Bethlehem und bis heute.

Liebe Brüder und Schwestern: Auch Sie sind heute in Bewegung. Spät in der Nacht sind Sie noch in die Kirche gekommen.

Dieses Gehen in die Christmette ist ein Zeichen des Glaubens an diesen Gott und der Bereitschaft, sich von ihm in Bewegung setzen zu lassen. Die Feier in der Familie, zu Hause, das Essen, der Baum, die Geschenke und Gespräche, eigentlich ist es eine Störung, da herausgerissen zu werden.

Aber es ist die Gelegenheit, von Gott etwas mitzubekommen.

Denken wir an unser Leben: die Situationen, mit denen wir nicht gerechnet, die wir uns nicht gewünscht haben, gerade heuer, aber auch sonst überall, wo etwas schief gelaufen ist, wo wir traurig sind oder ein Stück ungeborgen oder heimatlos, gestresst oder überfordert, wo wir uns wünschen, es möge anders werden: Das, genau das sind die Orte, wo wir dem begegnen, wo der mitten drin ist, anwesend, präsent, der als Neugeborenes außer dem Stroh in der Krippe und einer Handvoll zwielichtiger Gestalten nichts weiter als Begrüßung durch die Welt vorgefunden hat.

Dies hat er sich zugemutet, selber. Weil so das durchschnittliche Schicksal eines der 8 Milliarden Menschen auf unserer Erde ausschaut.

Und wo er uns deswegen – von innen heraus- ganz und gar versteht. Weil er einer von uns geworden ist.

Liebe Brüder und Schwestern!

Jesus Christus ist das „Licht der Welt“. Das wissen wir, wir hören es oft, besonders zur Weihnachtszeit. Aber was soll das eigentlich bedeuten?

Was wir heute tun: ein Gedicht interpretieren.

Das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.

Licht ist stärker als die Dunkelheit.

Eine kleine Kerze, eine Taschenlampe reicht aus, und mit der Finsternis ist es dahin.

Klar: Licht ist Energie, Dunkelheit ist Abwesenheit von Energie. Wo Energie fehlt, wie kann das Kraft haben?

Menschen tun oft so, als wären sie in der Dunkelheit dieser Welt allein. Mit den Problemen, Schicksalsschlägen, mit Schuld, Irrtum, Bosheit, Feindschaft usw.

Ja, Sie haben richtig gehört: Wir tun als ob.

Wir verleugnen die Wirklichkeit.

Wir tun so, als ob das Licht nicht da wäre.

Als ob wir allein wären. Als ob es keine Hilfe, keine Aussicht, keine Rettung gäbe.

Als ob das Böse stärker wäre, die Krise stärker als ihre Lösung…

Wir tun so, als ob Gott nicht anwesend wäre in dieser Welt…

Tatsache ist:

Das Wort, Gottes Selbstmitteilung an uns Menschen, ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.

Ich habe Ihnen das am Weihnachtstag erzählt von Fritz Muliar, der in seiner Kindheit immer gemeint hat, bei der Familie im 1. Stock, mit der niemand etwas zu tun haben wollte.

Als Kind hat er sich das plastisch so vorgestellt.

Aber es steckt eine tiefe theologische Wahrheit dahinter.

Ja, Gott ist einer von uns geworden.

In jedem menschlichen Gesicht leuchtet uns Gottes Anwesenheit entgegen.

Jede/r ist Ort der Herrlichkeit Gottes.

Liebe Brüder und Schwestern, dies hat Konsequenzen für uns, für das Handeln der Menschen aneinander, für das Zusammenleben aller auf diesem Planeten.

Menschen, Christen, die das gesehen und begriffen haben, haben Lichtspuren hinterlassen – Krankenhäuser, Altenheime, Waisenhäuser, Schulen, Hilfsprojekte, Armenhilfe, die Gruppen und runden in den Pfarren, Besuchsdienste,  … Einsatz für Gerechtigkeit, Freiheit, Frieden, für Arme jeder Art: so verbreitet sich das Licht weiter – so verbreitet sich die frohe Botschaft – mit Lichtgeschwindigkeit.

Wir machen uns auch zeitweise Sorgen: Wie kann das weitergehen, wenn sich immer weniger Menschen für Christus, für die Kirche interessieren?

Das Evangelium zu Weihnachten möchte uns sagen. He, wie kann diese Sache gut ausgehen, diese Sache mit Gottes Menschwerdung, wo es schon so furchtbar anfängt, keiner nimmt ihn auf, im Stall geboren, arm, dann gleich in Lebensgefahr, auf der Flucht, im Ausland, liebe Leute, die Chancen stehen denkbar schlecht, wir garantieren für nichts, es könnte blöd hergehen, und von der Botschaft erfährt niemand je etwas –

Lieber Gott, danke, war gut gemeint, aber wir können leider nichts damit anfangen, mehr Erfolg möchten wir sehen, mehr Sicherheit haben, ein bisschen Prunk und eine gewisse Machtposition, …

Die Kirche ist lange Zeit diesen Weg gegangen – ohne zu merken, dass sie gerade damit das Licht verdunkelt hat – und ohne es zu wollen…

Es schaut manchmal so aus, als ob nichts weitergeht auf der Welt, die armen Länder sind ärmer als je zuvor, die Umweltzerstörung, die Gewalt, der Unfrieden.

Da denke ich mir: Wenn Gott dieses kleine schutzlose Kind mit Tricks und List zu dem bringt, was es werden soll – na kann er nicht diese kleinen Ansätze und Versuche, die Lichtpunkte und –spuren der Menschlichkeit hüten, schützen, zum sinnvollen Ende, zur Vollendung führen …?

Schlimm ist, dass viele so leben und so denken – als ob – das Gute, Gott, keine Macht hätte, nichts bewirken würde.

Ganz recht- als ob. Denn in Wirklichkeit ist es anders. Jesus hat bereits den Sieg errungen. Das Licht ist an der Macht.

Wenn uns das von der Weihnachtsbotschaft im Bewusstsein bleibt, dann hat es sich schon ausgezahlt …

Predigt                                                     25. 12. 2019

Liebe Brüder und Schwestern!

„Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“

Wie oft haben wir diesen Satz schon gehört? Ist für uns nichts Besonderes mehr, nichts, das uns aufhorchen lässt.

Seien wir froh – denn das ist ein Beweis dafür, dass wir in einer christlichen Kultur, Umgebung leben.

Im 2. Jahrhundert noch hat diese Vorstellung Anstoß erregt – so sehr, dass der Theologe Markion in Kleinasien die Geburtsgeschichte Jesu nach Lukas, wie wir sie gestern Abend und in der Nacht gehört haben, aus der Bibel gestrichen hat. In einer Weihnachtspredigt soll er gesagt haben: „Schafft mir die Krippe aus den Augen und die eines Gottes unwürdigen Windeln!“

Bei Markion erscheint Jesus als verkleideter Gott mit einem Scheinleib in der Synagoge zu Kafarnaum und beginnt dort mit seinem Wirken.

Dass Gott in seiner Erhabenheit und Größe sich so weit herablässt, buchstäblich Fleisch zu werden, das ging nicht in Markions durch die griechische Philosophie ausgebildeten und verbildeten Kopf – Geist ist gut und daher höher zu bewerten als die schlechte minderwertige Materie … diese Vorstellung kommt aus dem Heidentum, nicht aus der biblischen Tradition.

In der Sprache der Bibel meint Fleisch die ebenso genuss- wie leidensfähige sterbliche Seite des Menschen.

Genau so einer wird Gott in Jesus. Ein Mensch aus Fleisch und Blut. Geboren werden, Kind sein, jung sein, glauben, hoffen, träumen, lieben, lachen und weinen können, beten, suchen und fragen, einen Willen haben, ein Herz, Freunde, ein Zuhause und einen Himmel haben.

Aber Menschsein heißt auch: Keinen Platz finden und kein Zuhause haben, nicht zugelassen werden, unerwünscht sein, hilflos und ausgeliefert, allein und einsam, enttäuscht und müde, nervös und unruhig; – Angst haben, sich ausgenützt und leer vorkommen, Wunden spüren auch hinter einem lächelnden Gesicht; Abschied nehmen, zurücktreten, sterben müssen.

So ein Mensch wird Gott.

Ein Mensch auf dieser Erde.

Was ist die Erde? Ein Staubkorn im riesigen Universum, ein wahres Nichts innerhalb der Galaxien. Die Geschichte der Menschheit: nicht einmal eine Hundertstelsekunde auf der Uhr unseres Kosmos.

In Israel – ein völlig unbedeutender Volksstamm unter den Großmächten der antiken Welt. Betlehem – ein winziges Kaff abseits der berühmten Metropolen wie Rom oder Athen.

Die Krippe: ein Unterstand und Futtertrog für Schafe und Ziegen.

Wenn hier der Ort ist, an dem wir Gott schauen, berühren und anbeten können: dann werden bestehende Werte umgestürzt.

Das Neugeborene, das angewiesen ist auf andere Menschen, die Mutterbrust braucht und in Windeln gewickelt wird, weil er sie durchaus nötig hat: dieser Jesus kommt in unser Fleisch, wird leiden, wie wir leiden, wird Einsamkeit und Ablehnung erfahren und am Kreuz sterben.

Seit er ganz einer von uns geworden ist, kann Gott selber erfahren, wie uns Menschen oft zumute ist.

Sie kennen den lange Jahre beliebten Schauspieler Fritz Muliar. Er erzählte in einer Anekdote aus seinem Leben: Als kleiner Bub in der Kirche war er total verblüfft – er hat das Evangelium gehört „und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ nd hat das wörtlich verstanden. Was, unter uns – da wohnten im Erdgeschoß die Müllers, und über die hat jeder getratscht in der Stadt, mit denen wollte man nichts zu tun haben, geradegegrüßt, bei denen stimmt es hinten und vorne nicht, weiß nicht, was der Müller arbeitet, es heißt, eins der Kinder ist gar nicht von ihm, und die Feiern, mit Unmengen Alkohol und Zigaretten, na freunde dich mit dem Sohn ja nicht an, hat die Mutter geraten.

Und grade bei denen da UNTER UNS, da soll der Herrgott wohnen – na danke. Unglaublich.

Liebe Brüder und Schwestern, aber genau das ist es. Gott wohnt wirklich bei Menschen wie den Müllers.

Gerade auf dem Hintergrund der Bilder, die uns täglich ins Haus geliefert werden, die zahllosen Menschen mit angeschlagener Würde durch Krieg, Katastrophen, Not, Gewalt, Unrecht: auch der letzte im hintersten Winkel der Erde und vor unserer Haustür, mit denen gemeinsam Weihnachten zu feiern uns nicht in den Sinn kommt: genau so einer ist Jesus geworden. Und so stellt er die Würde all derer wieder her. Keiner ist eine austauschbare Nummer, ein Zeit- und Kostenfaktor, Statistikfall, Arbeitskraft oder Stimmvieh. Jede und jeden, deren menschliche Würde auf dem Spiel steht, ist bei Gott ein Mensch mit Rang und Namen.

Jesus kennt seine Schwestern und Brüder.

Fürchten wir uns nicht.