Liebe Brüder und Schwestern, liebe Kinder!
Notre Dame de Paris – wie ist es Ihnen am Montag Abend gegangen? Als ich die Meldung vom Brand dieser Kirche, eine der wunderbarsten der Welt, gehört habe, habe ich momentan blankes Entsetzen gespürt.
Wie ein Schock. Da fehlen einem die Worte, es bildet sich eine Gänsehaut…
Etwas Schönes, Großartiges ist unwiderruflich zerstört.
So ein Entsetztsein hat etwas mit dem Karfreitag zu tun.
Wir haben gerade die Passionslesung gehört – packt es uns noch, dieses Entsetzen, wie konnte das passieren, dass der wunderbarste aller Menschen, der in seinem ganzen Leben immer nur Gutes getan hat, ein solches Ende nimmt, verurteilt wird, gekreuzigt …? Als Kind habe ich mir immer gedacht, es müsste doch gut ausgehen können …
Die Anhänger Jesu haben so ein Entsetzen gespürt. Das totale Zunichtemachen aller Hoffnungen. Das Leiden und Sterben des verehrten und geliebten Meisters, wie sie ihn nannten.
Wir dürfen annehmen, Gott selber spürte dieses Entsetzen, die in den Evangelien festgehaltenen Naturereignisse: Finsternis, Erdbeben … deuten darauf hin. Weltuntergangsstimmung. Die bisherige Ordnung aus den Fugen geraten.
Gott selber wird gehasst und ans Kreuz geschlagen von einer Menschheit, die ihn nicht aushält, nicht erträgt.
Wir glauben, dass Jesus auferstanden ist und in Wahrheit letztlich alles gut ausgeht – aber noch ist das Entsetzen nicht vorbei.
Beim Brand der französischen Kathedrale waren sehr viele erschüttert, darunter viele Prominente, und man ging unverzüglich daran, vom Beheben des Schadens zu sprechen, zu spenden, zu planen, zu organisieren.
Denn, da ist man sich einig: Diese wunderbare Kirche mitten in Paris – um die ist schade.
Dennoch, liebe Brüder und Schwestern: Es ist nur eine Kirche, ein materielles Objekt.
Wie steht es um die unzähligen Menschen, die Tag für Tag unter verheerenden Umständen umkommen: in kriegerischen Konflikten, durch Verbrechen, an Hunger und Not, an einer Krankheit, die in Mitteleuropa mit einem gewissen Aufwand aber doch ziemlich rasch geheilt werden könnte?
Oder die Missbrauchsfälle an Kindern… Terror an Unschuldigen, Unbeteiligten …
Wir fragen da schnell: Wie kann Gott so etwas zulassen? Warum greift er nicht ein?
Warum greift er nicht durch?
Die Liebe Gottes zu uns Menschen ist größer als die Gerechtigkeit.
Die Freiheit des Menschen ist Gott so wichtig, dass er lieber leidet, ja von Entsetzen gebeutelt mitansieht, wie es hier auf der Erde zugeht, als uns diese Freiheit zu nehmen oder auch nur zu beschneiden.
Aber das bedeutet keineswegs, dass Gott tatenlos zusieht.
Liebe Brüder und Schwestern, Gott tut sehr wohl etwas: Er geht aus seiner himmlischen Glückseligkeit heraus, erhält den Sohn, sich selbst, hin, Gott leidet, und sein Schmerz wird sichtbar am Kreuz, an das Jesus geschlagen ist…
Gott hält sich nicht heraus.
Jedoch tut er das, was keiner erwarten würde:
Gott ist nicht so, wie die meisten Menschen ihn sich vorstellen.
Das Über sich verfügen Lassen ist die Art Gottes, seine Liebe unter Beweis zu stellen – die Hände nicht erheben können, weil sie festgenagelt wurden – was ist das für ein Schmerz, die Möglichkeiten zur positiven Änderung, zu helfen, zu haben – und tatenlos mitansehen zu müssen, wie etwas den Bach runter geht?
Vielleicht stellt jemand die Frage: Greift also Gott nie ein?
O doch.
Aber nur, wenn wir bitten. Und er liebt und schätzt die ungemein, die das tun. Denn sie eröffnen die Möglichkeit, allmächtig zu sein und nicht untätig zusehen zu müssen. Die Möglichkeit, dass sich alles ändert.