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Predigt                                                                                   8. 2. 2014

Liebe Brüder und Schwestern!

In der Fußgängerzone von Stuttgart hatte im Sommer 1999 ein Künstler einen riesigen Salzberg aufgetürmt. Es sollte eine Illustration des damaligen Kirchentagmottos sein: “Ihr seid das Salz der Erde.” Mich hat dieser Berg befremdet. So, auf einem Haufen ist Salz wirkungslos. Es liegt einfach da und ist weiß, sonst nichts. So wirkt manchmal auch die große Kirche auf außenstehende Beobachter: Sie steht einfach da, fremdartig, wie aus einer anderen Welt. Für sich allein ist der Salzberg nutzlos. Ungenießbar.

Salz muss in kleinen Salzstreuern auf den Tisch. Es muss griffbereit sein in der Küche, damit man es in wohldosierten Mengen einsetzen kann. So verbessert es unsere Speisen. Es kommt nicht auf die Größe an, sondern auf die kleine, aktive, überall verfügbare Menge. Jesus würde sagen: auf jeden einzelnen von euch.

Wir leben in einer eigenartigen faszinierenden Zeit: Die Welt wächst zusammen. Über Internet, Fernsehen und Telefon ist alles gleichzeitig erreichbar. Eine gigantische Technologie schafft Verbindungen in einem noch nie da gewesenen Ausmaß. Firmen verschmelzen zu Gebilden von noch nie da gewesener Größe. Zugleich aber werden diese Gebilde immer weniger greifbar für uns. Die Menschen brauchen keine Vermittler mehr, schon gar keine großen Institutionen. Wer will kann in Kontakt treten, mit fast jedem anderen.

Etwas Ähnliches ist mit dem Salz passiert. Früher war es eine Delikatesse, teuer und schwierig zu bekommen. Man brauchte Verbindungen, komplizierte Infrastrukturen, um an es heranzukommen. Inzwischen ist es billig zu haben, für jeden. Die lukrativen Salzmonopole sind längst gefallen.

So wird es in naher Zukunft auch mit dem Wissen und dem Glauben werden. Wieder werden alte Monopole fallen: Die Schulen werden entthront. Die Kinder lernen außerhalb der Schule schneller und wirklichkeitsbezogener. Der Kirche geht es nicht anders. Die Menschen haben ihre sozialen Kontakte nicht mehr nur in der christlichen Gemeinde. Sie erfahren von Gott nicht mehr nur im Gottesdienst. Sie machen sich selbst auf die Suche nach Gott. Ich denke, das ist das Salzzeitalter der Christen.

Denn so hat es Jesus ja von Anfang an gemeint. Er hat keine Kirche gegründet, sondern ein paar Menschen um sich geschart und darauf vertraut, dass sie seine Botschaft weitertragen. Er hat nicht gesagt: Baut große Salzbergwerke. Gründet mächtige Firmen. Bildet ein Handelsnetz und ein Monopol. Achtet darauf, dass ihr allein das Salz besitzt. Nein. Er hat in menschlichen, natürlichen nachbarschaftlichen Dimensionen gedacht: Ihr seid das Salz der Erde.

Buch: „Ihr seid das Salz, nicht die Suppe.“

Quintessenz des Christentums ist nicht die große Zentralkirche mit dem Super-Gottesdienst, sondern die kleine Hilfe, Aufmerksamkeit in der Nachbarschaft, in der Familie, Grätzl … in der Firma. Die paar, die Brot und Wein teilen.