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Predigt                                Sonntag der Heiligen Familie, 26. 12. 2021

Liebe Brüder und Schwestern, liebe Kinder!

Was ist eine Familie? – Das weiß jede/r, oder? Oder doch nicht?

Es gibt Idealbilder, die stammen aus dem Bürgertum des 19. Jahrhunderts, eigentlich aus der Romantik, unter anderem hergeleitet aus der Bewegung um Jean Jacques Rousseau mit dem Slogan „Zurück zur Natur“.

Vater und Mutter mit einigen Kindern, die sich selbst um die Erziehung derselben kümmern.

Kinder, die bei den eigenen Eltern aufwuchsen, waren damals keine Selbstverständlichkeit.

In den Adelshäusern kam der Nachwuchs meist mit ca. 7 Jahren außer Haus, um Umgangsformen bei einer anderen, im Idealfall bessergestellten Familie, wenn möglich am Königs- oder Herzogshof, zu lernen – oder in ein Kloster, um ab der Kindheit an dieses Leben gewöhnt zu sein.

Bei den Bauern kamen jüngere Kinder als Arbeitskraft zu anderen, vielleicht die beiden vielversprechendsten Töchter zu Lernzwecken, um später den eigenen Hof als Hausfrau führen zu können; oft starb die Mutter im relativ jungen Alter an den Folgen einer Geburt oder der Vater an einem Arbeitsunfall (Blutvergiftung), Kinder wurden auf Verwandte und Freunde aufgeteilt und hatten dort ein Leben als Magd oder Knecht vor sich.

Im besten Fall konnte ein großer Bauernhof alle Kinder selbst ernähren bzw. als Arbeitskraft brauchen, dann bildeten ca. 20 oder mehr Personen – incl. Gesinde – eine Großfamilie; ebenso in den städtischen Handwerkerhäusern.

Die Mutter übte in allen drei Fällen als Hausfrau eine Leitungsfunktion zur Versorgung der Großfamilie aus und hatte denkbar wenig Zeit für den eigenen Nachwuchs.

Heiraten konnten oder durften übrigens die wenigsten; dazu musste eine Versorgungsgrundlage gegeben sein. Sehr viele uneheliche Kinder lebten in den verschiedenen Systemen – Höfen und Häusern, und zwar eher nicht zusammen mit den leiblichen Eltern.

Der Vorteil: Kinder hatten immer eine Reihe von anderen Menschen, Bezugspersonen um sich, waren niemals einsam, hatten mehrere Vorbilder zur Auswahl, es war immer jemand da zum Reden, Trösten, Erklären …

Familie wie wir sie heute kennen oder – die Form verändert sich ja bereits wieder – oder wie wir sie selber kennengelernt haben und als Ideal und vorstellen, ist ein Produkt der Industrialisierung, der Berufstätigkeit außer Haus und der Mechanisierung des Alltags – es blieb Zeit und die Wohnungen waren klein und wurden ab dem 3. Kind unbequem. Ca. 100, eher nur 60 – 70 Jahre lang in der westlichen Welt die vorherrschende Form. Vorteil der bürgerlichen Kleinfamilie: Versorgungssicherheit; Geborgenheit, Zuwendung, Innigkeit zwischen Kindern und Eltern. Nachteil: in jeder 5. Familie spielt Gewalt eine Rolle – ist das Ausgeliefertsein. Man kann nicht aus, schon gar nicht als Kind. Ein Bauernhof war groß und wenn der Bauer im Suff ausrastete, war da immer noch wer, der einen liebhatte und beschützte.

Und jetzt schauen wir uns die Familien an, die in den heutigen Bíbeltexten vorkommen. Beide sind ja als Vorbild gedacht, als heilig.

Sara und Abraham sind eine lange Zeit verheiratet, ein kinderloses Ehepaar, das sich sehr liebt – aber es fehlt etwas. Gott verspricht Nachwuchs, es tut sich lange nichts, also zeugt Abraham mit der Dienerin Saras ein Kind, das stellt sich als problematisch heraus, das Kind und seine Mutter müssen wieder verschwinden …

Maria und Josef: beiden wird zugemutet, ihre Lebensplanung umzustoßen, Gott hat ein bisschen Aufwand und Mühe damit, den Josef dazu zu bringen, Maria, die schwanger ist ohne sein Zutun, nicht zu verlassen und als Verlobte mit sich zu führen … man weiß nicht, ob sie jemals geheiratet haben…

Zwei Familiensituationen, die wir alles andere als ideal einstufen würden …

Was macht diese Familien zu heiligen Familien?

Gott ist dabei. Zu Allerheiligen betonen wir jedesmal, dass „heilig“ nicht „perfekt“ bedeutet. Heilig ist nicht die perfekte Form, sondern dass Gott eine Rolle spielt, dass die Menschen, die eine Familie bilden, etwas mit Gott zu tun haben. Auf Gott hören.

Wenn wir verunsichert sind angesichts der verschiedenen Familienformen, der Entwicklungen im Zusammenleben, die uns Sorgen machen … es käme ja nur darauf an, dass die beteiligten Menschen Gott in ihr Herz aufnehmen, dass Gott mit ihrem konkreten Leben etwas zu tun bekommt …

Ja, Menschen und erst Recht Kinder benötigen Geborgenheit, einen sicheren Halt, vertrauenswürdige Menschen – Menschen, die einander Liebe und wohlwollen entgegenbringen, die einander – nicht nur den Kindern, sondern auch die Erwachsenen untereinander – einen guten Raum zum Wachstum eröffnen und offenhalten … ob das die biologischen Eltern, Männer oder Frauen oder beides sind, diese Frage stellt sich erst nach den ersten beiden.

Familien sind heilig, weil die die beteiligten Menschen heilig sind – heilig und heil sind wir, wenn wir im Bewusstsein leben, dass wir immer schon zur heiligen Familie gehören – ihr seid die Familie des Herrn, singen wir in einem Lied – und Jesus sagt: Wer den Willen Gottes tut, ist mir Schwester, Bruder und Mutter.

Im Reich Gottes spielen die biologischen Verwandtschaften sowieso nicht wirklich eine Rolle. Im Advent wird öfter der Stammbaum Jesu vorgelesen – finde das jedesmal lustig – höchstens der Stammbaum Josefs. Alle die genannten bei Abraham angefangen sind mit Jesus überhaupt nicht biologisch verwandt.      Genausowenig wie Sie und ich. Oder genausosehr.

Predigt 14. 7. 2019                  Der barmherzige Samariter     15. So. i. Jk. C

 

Liebe Brüder und Schwestern!

 

„Dann geh und handle genauso!“

Was hat der barmherzige Samariter denn eigentlich getan? Gehen wir es noch einmal durch:

Ein Händler auf Geschäftsreise, der von Jerusalem, der Hauptstadt, der Metropole, kommt – unterwegs zu weiteren Unternehmungen nach Jericho – sicher hat er gute Geschäfte gemacht, die Einnahmen vermutlich bei sich. Wenn jemand Angst vor Räubern haben musste, dann jedenfalls er. Der Priester, der Levit, die beide ebenfalls aus der Hauptstadt, vom Tempeldienst nach Hause zurückkehren, haben im Gegensatz dazu wahrscheinlich keine Reichtümer dabei, um die sie bangen müssten.

Nun ist der Mann aus Samarien ziemlich eilig und vorsichtig unterwegs – da sieht er eine Bewegung, hört einen Schrei oder ein Stöhnen – geht näher hin und zögert nicht zu helfen.

Kein Gedanke daran, dass dieser da ein Feind ist, beinahe zumindest, einer aus dem Volk Israel, die kein gutes Haar lassen an denen aus Samaria, hochmütig immer darauf pochen, wir haben die wahre Religion… und ihr nicht… als ob unser gemeinsamer Vater Jakob diesen Unterschied gemacht hätte…

All das weiß der Samariter, und es kümmert ihn nicht, denn da ist ein Mensch in Not, und sein einziger Gedanke ist: Wie helfe ich am besten und am schnellsten?

Und das macht er dann, in der bestmöglichen Weise. Er tut mehr als üblich, mehr als zu erwarten war.

 

Liebe Brüder und Schwestern, darauf käme es an.

Ich bin davon überzeugt, jede/r hier würde einem Menschen, der uns plötzlich unterwegs begegnet und auf uns angewiesen ist, helfen.

 

Leider herrscht bei sehr vielen auch in unserem Land, gerade bei Menschen, denen materielle Not eher fremd ist, die umgekehrte Grundeinstellung vor. Viel zu viele fragen als erstes: „Was brauche ich nicht zu tun?“ Wo kann ich mich heraushalten, unauffällig davonkommen…? Lieber tu ich nichts, bis zum Beweis des Gegenteils geht’s mich nichts an.

 

Jesus spricht bewusst vom „Nächsten“ – das bedeutet doch, wer mir begegnet, ist grundsätzlich so wie Bruder und Schwester. Ausdrücklich gilt das für alle Menschen, als Hilfesuchender genauso wie als Helfender, Glaube und Nationalität spielen keine Rolle.

Wir, die Jünger Jesu, die Christen, müssten darüber noch hinausgehen. Uns wäre es angemessen und zuzumuten, dass wir in dieser Grundhaltung leben und durch die Welt gehen: Ich bin angesprochen, es betrifft mich, ich bin gemeint, gefordert, gefragt. Was kann ich tun – und wie kann ich es bestmöglich tun?

Die Kapitänin der SeaWatch 2 Carola Rackete hat genau das getan. Und die Richterin hat – sie wurde ja angezeigt und kurzfristig in Italien eingesperrt – den Freispruch mit dem geltenden Völkerrecht begründet: Wer in Seenot ist, dem ist zu helfen. Gott sei Dank gibt es dieses Völkerrecht.

Im geltenden österreichischen Gesetz gilt ebenfalls: Wer in akuter Not ist, dem ist zu helfen. Fahrerflucht oder unterlassene Hilfeleistung stellen strafbare Tatbestände dar. Gott sei Dank.

Übrigens war das auch damals so – nach der Tora, dem mosaischen Gesetz … Der Priester und der Levit hätten es besser wissen müssen.

 

Wie kann das, was Jesus fordert, in unserem persönlichen normalen Leben aussehen?

 

Mit offenen Augen durchs Leben gehen. Ein offenes Herz haben gegenüber Mitmenschen, offene Ohren für Missstände in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Umwelt, Kirche, für Hilfeschreie im Nachbarhaus, Zivilcourage im eignen Betrieb.

 

Jesus meint nicht, wir sollen ein krankhaftes Helfersyndrom haben. Er sagt auch: Ruht ein wenig aus, er selber zog sich oft zurück, um allein zu sein, und er konnte feiern, das Leben genießen, dass es manchen Frommen zu bunt war.

Uns ein Beispiel nehmen an Jesus selber. Ein vorurteilsfreier, offener, zugewandter Blick zum Menschen neben mir.

Manche Menschen machen sich zu gegenüber anderen, gegenüber den Anforderungen des Lebens. Viele davon kommen sich sehr brav, ordentlich und fromm vor. Wer nie was erlebt, macht sicher nichts falsch, aber er versäumt das Leben.

 

 

Mehr zu Carola Rackete erfahren Sie z. B. in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung FAZ, v. a. auf der entsprechenden Website.