Schlagwortarchiv für: JüngerIn

Predigt Patrozinium Braunau – St. Franziskus

Liebe Brüder und Schwestern!


Das, was wir gerade gehört haben, hat der heilige Franz ernst genommen.

Er hat von Jesus gelernt. Er hat sich angeschaut: Wie hat denn dieser Jesus gelebt? Wie hat er sich verhalten, den Menschen gegenüber, der Schöpfung gegenüber, sich selbst gegenüber… Wie waren seine Tage? Was haben seine Jünger von ihm mitbekommen?

Und Franziskus hat genau das, auf was er da draufgekommen ist, nachgemacht, sich angeeignet, sein Leben danach gestaltet.

Franziskus ist so zum lebenden Evangelium geworden, und seine Ordensgeschwister mit ihm, und sie haben der Welt damals enorme Hoffnung gegeben, einen spirituellen Input, Fortschritt, der einzigartig war.

Lange Zeit waren Ostkirche und Westkirche ungetrennt.

Bis ca. 100 Jahre vor Franziskus.

Das, was wir jetzt noch an Ikonen der östlichen Christenheit sehen und ein bisschen als fremd empfinden, war damals überall verbreitet: Christus, der Auferstandene, der Weltenherrscher, der kommen wird zu richten… Stilisiert, in einiger Entfernung, als König und Kriegsherr…

Franz und viele vor ihm , die sind aber als Ketzer verfolgt worden, Katharer und Waldenser z. B. – haben Jesus als den wiederentdeckt, der unter den Menschen, auf dieser Erde gewohnt hat.

Müde und hungrig, froh und betrübt, zornig und feiernd, betend, hilfsbereit, lehrend, heilend, abgelehnt, verurteilt, einsam, gekreuzigt… Eben auch ganz Mensch, wie wir ihn kennen und gewohnt sind, uns ihn vorzustellen.

Es ist der nahe Jesus der Mystiker/innen, der zuhört und versteht, der mahnt, tröstet und hilft.

Es ist kein Wunder, wenn dieser Jesus mitsamt seinem Jünger Franziskus in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts wieder in den Mittelpunkt des Interesses gerückt sind – 2. Vatikanum, Hippiebewegung christlich… alles echt und authentisch erleben, Christsein wie in der Urkirche… es war ein richtiger Boom. Alle neuerrichteten Pfarren um diese Zeit haben Franziskus als Pfarrpatron, so auch wir…

Das Evangelium sagt uns heute, wir sollen von Jesus lernen, weil unser Leben dann leichter wird.

Was gibt es da zu lernen? Schauen wir Jesus so an, wie Franziskus es tat:

Jesus hat unglaublich viel gebetet. Es war der direkte Kontakt jeden Tag, manchmal mehrere Stunden, mit dem Vater, der ihn immer wieder normal gemacht hat, fähig, den Willen Gottes zu tun – die Traditionen und Vorurteile abzustreifen, die überhandzunehmen drohen immer wieder einmal.

Jesus war kein strenger Asket. Er war menschenfreundlich, im Umgang mit den Menschen so, dass man gern mit ihm zusammen war. Er hat seine Gefühle gezeigt. Freude, Begeisterung, Mitleid, Trauer, Angst, Zorn, Erschütterung.

Er verstand zu feiern, wenn es angebracht war. Er machte keine Unterschiede zwischen Menschen. Die vornehme Gesellschaft hat sich bekanntlich genauso aufgeregt wie die fromme puritanische.

Er hat seine Macht dazu benützt, den Menschen zu helfen. Heilung. Rettung aus Gefahr.

Nie hat er grob oder streng zu armen Sündern gesprochen, zu Kranken, Hilfesuchenden, ..

Er hat geschimpft mit den Mächtigen, wenn sie den Kleinen, Schwachen zu viele Lasten auferlegten, zu strenge Religionsgesetze. Wenn Arme unterdrückt wurden, da kannte er keinen pardon.

Er hatte unbegrenztes Vertrauen zum Vater. Alles wird er schenken auf dem Weg, sucht das Reich Gottes, alles andere kommt von selbst…

Selber hielt er sich ohne weitere Umstände nicht an jüdische Religionsgesetze, wo sie dem echten Zugang zu Gott, dem Leben im Wege standen.

Er ging Anstrengung und Gefahr, Hunger, Durst, Verfolgung, Spott, Schmerzen nicht aus dem Weg, wo es unvermeidlich war für das Ziel.

Er traute seinen Jüngern sehr viel zu. Wer glaubt, kann noch größere Werke tun als ich. Er war nicht dünkelhaft oder von oben herab. Er hat seinen Jüngern freie Hand gelassen. Ohne Bevormundung. Voll Vertrauen auf den Heiligen Geist.

Er erstickte Ansätze zu Herrschaft und Hierarchie im Keim: Wer der 1. sein will, soll der Diener aller sein.

Sie werden noch mehr finden. Es ist unsere Aufgabe als Christen, diesen Jesus in dieser Welt lebendig zu halten.

Denken wir jeden Tag daran, nicht nur heute am Patrozinium.

Predigt                                                                 17. 7. 2022

Liebe Brüder und Schwestern!

Aha – möchte uns Jesus etwa faul und untätig haben? Oder was soll das heute wieder im Evangelium? Sollen wir nur mehr beten und nicht mehr arbeiten?

Oder: ist unsere Vorstellung davon, was produktiv sein bedeutet, verkehrt? Zu eng, überholt? Hat Gott andere Maßstäbe als wir?

Stellen wir uns diese Situation, die geschildert wird, ganz konkret vor. Es kommt seltener Besuch. Die Hausfrau ist nicht wirklich greifbar, weil sie ununterbrochen herumsaust um besondere Festmenübestandteile zu zaubern zu ordern – es war ja ein vornehmes Haus mit Dienern, das Beste vom Besten soll es sei, ist ja ein denkbar vornehmer Gast.

Dieser Gast ist extra gekommen – warum? Um mit den Menschen, die er besucht, Kontakt zu pflegen. Um sich mit der Hausfrau, mit der Hausherrin, denn das war Martha, zu unterhalten, auszutauschen. Der Besuch gilt – ihr und dem Bruder Lazarus und der kleinen Schwester Maria … Der Gast würde sich über ein weniger aufwändiges Mahl, dafür über die Gesellschaft seiner lieben Freundin, durchaus mehr freuen.

Persönliche Beziehung ist wichtiger als äußere Perfektion.

Dann ist da die 2. Ebene – der Besuch, der da kommt, ist wie auch schon in der Lesung – Gott in Menschengestalt, Jesus.

Maria hat das Bessere erwählt, weil sie das wahrnimmt. Und entsprechend handelt – sie tut das Angemessene: sie begibt sich in seine Nähe, hört zu, nimmt ihn ernst, nimmt seine Botschaft in sich auf.

Uns geht es ja oft so: Wir sind wie Martha total beschäftigt – und zwar in kirchlichen Belangen, denn sie tut durchaus etwas für Jesus, für Gott – wie die vielen Ehren- und Hauptamtlichen, die in dieser und anderen Pfarren unermüdlich tätig sind – Fast hätt ich gesagt. Rastlos tätig sind. Denn genau das wäre verkehrt.

In Braunau – St. Franziskus habe einmal folgendes erlebt: Einer der Firmbegleiter und ich trugen 10 schwere Tische vom Keller ins Erdgeschoß, damit beim Eltern- und Patenabend am Abend des gleichen Tages die Leute im schönen Raum bei Tischen sitzen könnten. Wir machten das gleich in der Früh; der Firmbegleiter ging dann in die Arbeit, ich in den Schulunterricht.

Kurz nach Mittag rief mich eine sehr ordnungsliebende, fleißige Mitarbeiterin der Pfarre an und erklärte empört: „Also, die Leute sind wirklich furchtbar. Da lassen sie einfach 10 Tische mitten am Gang zur Kirche stehen Was denken sich die dabei?

Ich habe alle wieder in den Keller getragen!“

Wieviel Pläne wurden – in unserer Diözese, im Pfarrgemeinderat, in der einen oder anderen Gruppe oder Fachausschuss – schon gemacht, wieviel Seelsorgskonzepte existieren und füllen Bibliotheken, wieviel Ratgeber für Verkündigung und Liturgie kann man erwerben – und doch übersieht man oft das einzig Wichtige:

Auf Gott, auf Jesus selbst zu hören.

Beten.

Mit ihm in Kontakt treten, zuhören, mit dem Herzen hinspüren, was er gerade von mir, genau von diesem Gremium, exakt in dieser speziellen Situation, … will, was es braucht, was wirklich gut ist und angemessen. Und nicht nur Beschäftigungstherapie.

Seien wir ehrlich: Das persönliche Beten, überhaupt die Pflege unserer Spiritualität, da gehört Kunst, Kultur, Nichtstun dazu,  fällt oft unserer unermüdlichen Tätigkeit, unserer Überbeschäftigung zum Opfer.

Wie in den zwischenmenschlichen Beziehungen, dort ist es auch nicht das Wahre, machen wir es auch in der Freundschaft mit Jesus Christus: Wenn es stressig wird, wenn die Zeit knapp ist, sparen wir die Beziehungspflege ein, lassen wir die Kommunikation verarmen, …

Und dann wundern wir uns, wieso unsere Bemühungen ins Leere laufen…

Wir benötigen unbedingt den Austausch mit Gott, so bekommen wir Energie, Ideen, Ausdauer, …

Und dann gibt es noch eine dritte Ebene, eine Schieflage, die hier durch Jesus zurechtgerückt wird. Maria tut etwas, was zwar im Jünger- und Jüngerinnenkreis um Jesus üblich geworden war, was aber für das damalige und auch das heutige Judentum in seiner orthodoxen oder ultraorthodoxen Form unerhört ist: Sie sitzt zu Füßen des Rabbi, das ist die Position des Rabbinerschülers, des Jüngers. Sie hört den Ausführungen des Meisters zu und diskutiert vielleicht nicht heute, aber später mit. Und Schüler/in eines Rabbi zu sein hat ein Ziel: selber einer zu werden, zu lehren, schriftkundig zu sein.

Im orthodoxen Judentum dürfen Frauen die Hl. Schrift nicht lesen und auch die Torarolle nicht berühren – denn da drin ist Gott anwesend, und Frauen sind – unrein.

Die große Schwester Marta verhält sich umgekehrt genau so, wie es von der vorbildlichen jüdischen – und auch Jahrtausende lang christlichen – Hausfrau erwartet wurde (und wird).

Wenn Jesus jetzt das Verhalten Marias als vorbildlich lobt und Marta freundschaftlich tadelt – so in der Art – geh Marta, jetzt kennst mi schon so lang, denk do amal nach – dann rückt er die Rolle der Frauen zurecht – in die Richtung, wie es Gottes Absicht besser entspricht.

Der Platz der Frau ist laut Jesus im Kreis der Jünger/innen, bei der Theologie, in der Diskussionsrunde, dort wo Gesetze gemacht werden, denn genau das geschah unter Schriftgelehrten und Gesetzeslehrern, sichtbar und hörbar in der Öffentlichkeit. Nicht wie die Stammmutter Sara, die noch vom Zelt aus zuhört …

Es soll eine Aufmunterung für Marta sein und für alle Frauen, die heute noch -nicht nur – im orientalischen Bereich es allzuoft für normal, gottgegeben halten, sich mit dem privaten Bereich, mit Küche und Haushalt zu begnügen. Sondern das Bessere, ein besseres Los, zu wählen.

Jesus zeigt Gottes Menschenfreundlichkeit und Gerechtigkeit.

Und ich wünsche uns, Ihnen und mir, dieser zu vertrauen, sie annehmen zu wollen.