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Predigt                                                                 17. 7. 2022

Liebe Brüder und Schwestern!

Aha – möchte uns Jesus etwa faul und untätig haben? Oder was soll das heute wieder im Evangelium? Sollen wir nur mehr beten und nicht mehr arbeiten?

Oder: ist unsere Vorstellung davon, was produktiv sein bedeutet, verkehrt? Zu eng, überholt? Hat Gott andere Maßstäbe als wir?

Stellen wir uns diese Situation, die geschildert wird, ganz konkret vor. Es kommt seltener Besuch. Die Hausfrau ist nicht wirklich greifbar, weil sie ununterbrochen herumsaust um besondere Festmenübestandteile zu zaubern zu ordern – es war ja ein vornehmes Haus mit Dienern, das Beste vom Besten soll es sei, ist ja ein denkbar vornehmer Gast.

Dieser Gast ist extra gekommen – warum? Um mit den Menschen, die er besucht, Kontakt zu pflegen. Um sich mit der Hausfrau, mit der Hausherrin, denn das war Martha, zu unterhalten, auszutauschen. Der Besuch gilt – ihr und dem Bruder Lazarus und der kleinen Schwester Maria … Der Gast würde sich über ein weniger aufwändiges Mahl, dafür über die Gesellschaft seiner lieben Freundin, durchaus mehr freuen.

Persönliche Beziehung ist wichtiger als äußere Perfektion.

Dann ist da die 2. Ebene – der Besuch, der da kommt, ist wie auch schon in der Lesung – Gott in Menschengestalt, Jesus.

Maria hat das Bessere erwählt, weil sie das wahrnimmt. Und entsprechend handelt – sie tut das Angemessene: sie begibt sich in seine Nähe, hört zu, nimmt ihn ernst, nimmt seine Botschaft in sich auf.

Uns geht es ja oft so: Wir sind wie Martha total beschäftigt – und zwar in kirchlichen Belangen, denn sie tut durchaus etwas für Jesus, für Gott – wie die vielen Ehren- und Hauptamtlichen, die in dieser und anderen Pfarren unermüdlich tätig sind – Fast hätt ich gesagt. Rastlos tätig sind. Denn genau das wäre verkehrt.

In Braunau – St. Franziskus habe einmal folgendes erlebt: Einer der Firmbegleiter und ich trugen 10 schwere Tische vom Keller ins Erdgeschoß, damit beim Eltern- und Patenabend am Abend des gleichen Tages die Leute im schönen Raum bei Tischen sitzen könnten. Wir machten das gleich in der Früh; der Firmbegleiter ging dann in die Arbeit, ich in den Schulunterricht.

Kurz nach Mittag rief mich eine sehr ordnungsliebende, fleißige Mitarbeiterin der Pfarre an und erklärte empört: „Also, die Leute sind wirklich furchtbar. Da lassen sie einfach 10 Tische mitten am Gang zur Kirche stehen Was denken sich die dabei?

Ich habe alle wieder in den Keller getragen!“

Wieviel Pläne wurden – in unserer Diözese, im Pfarrgemeinderat, in der einen oder anderen Gruppe oder Fachausschuss – schon gemacht, wieviel Seelsorgskonzepte existieren und füllen Bibliotheken, wieviel Ratgeber für Verkündigung und Liturgie kann man erwerben – und doch übersieht man oft das einzig Wichtige:

Auf Gott, auf Jesus selbst zu hören.

Beten.

Mit ihm in Kontakt treten, zuhören, mit dem Herzen hinspüren, was er gerade von mir, genau von diesem Gremium, exakt in dieser speziellen Situation, … will, was es braucht, was wirklich gut ist und angemessen. Und nicht nur Beschäftigungstherapie.

Seien wir ehrlich: Das persönliche Beten, überhaupt die Pflege unserer Spiritualität, da gehört Kunst, Kultur, Nichtstun dazu,  fällt oft unserer unermüdlichen Tätigkeit, unserer Überbeschäftigung zum Opfer.

Wie in den zwischenmenschlichen Beziehungen, dort ist es auch nicht das Wahre, machen wir es auch in der Freundschaft mit Jesus Christus: Wenn es stressig wird, wenn die Zeit knapp ist, sparen wir die Beziehungspflege ein, lassen wir die Kommunikation verarmen, …

Und dann wundern wir uns, wieso unsere Bemühungen ins Leere laufen…

Wir benötigen unbedingt den Austausch mit Gott, so bekommen wir Energie, Ideen, Ausdauer, …

Und dann gibt es noch eine dritte Ebene, eine Schieflage, die hier durch Jesus zurechtgerückt wird. Maria tut etwas, was zwar im Jünger- und Jüngerinnenkreis um Jesus üblich geworden war, was aber für das damalige und auch das heutige Judentum in seiner orthodoxen oder ultraorthodoxen Form unerhört ist: Sie sitzt zu Füßen des Rabbi, das ist die Position des Rabbinerschülers, des Jüngers. Sie hört den Ausführungen des Meisters zu und diskutiert vielleicht nicht heute, aber später mit. Und Schüler/in eines Rabbi zu sein hat ein Ziel: selber einer zu werden, zu lehren, schriftkundig zu sein.

Im orthodoxen Judentum dürfen Frauen die Hl. Schrift nicht lesen und auch die Torarolle nicht berühren – denn da drin ist Gott anwesend, und Frauen sind – unrein.

Die große Schwester Marta verhält sich umgekehrt genau so, wie es von der vorbildlichen jüdischen – und auch Jahrtausende lang christlichen – Hausfrau erwartet wurde (und wird).

Wenn Jesus jetzt das Verhalten Marias als vorbildlich lobt und Marta freundschaftlich tadelt – so in der Art – geh Marta, jetzt kennst mi schon so lang, denk do amal nach – dann rückt er die Rolle der Frauen zurecht – in die Richtung, wie es Gottes Absicht besser entspricht.

Der Platz der Frau ist laut Jesus im Kreis der Jünger/innen, bei der Theologie, in der Diskussionsrunde, dort wo Gesetze gemacht werden, denn genau das geschah unter Schriftgelehrten und Gesetzeslehrern, sichtbar und hörbar in der Öffentlichkeit. Nicht wie die Stammmutter Sara, die noch vom Zelt aus zuhört …

Es soll eine Aufmunterung für Marta sein und für alle Frauen, die heute noch -nicht nur – im orientalischen Bereich es allzuoft für normal, gottgegeben halten, sich mit dem privaten Bereich, mit Küche und Haushalt zu begnügen. Sondern das Bessere, ein besseres Los, zu wählen.

Jesus zeigt Gottes Menschenfreundlichkeit und Gerechtigkeit.

Und ich wünsche uns, Ihnen und mir, dieser zu vertrauen, sie annehmen zu wollen.

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