Predigt
1. Advent 2019 Haid
Liebe
Brüder und Schwestern, liebe Kinder!
Seid
wachsam!
Wieso
hält Jesus es offenbar für nötig, uns dies ausdrücklich zu verordnen? Wir
schlafen ja schließlich eh nicht, oder?
Das
„Wachsamsein“, das im Evangelium gemeint ist, erstreckt sich auf mehrere
Aspekte; und es geht hier ursprünglich um das 2. Wiederkommen Jesu, um das
Weltende und Jüngste Gericht.
Wir
sind es gewohnt, den Advent als Warten auf die Geburt des kleinen Jesus als Kind
zu begehen, die erste Ankunft nachzufeiern …
In
beiden Fällen geht es darum, Gottes Wirken wahrzunehmen – und das ist gar nicht
so leicht. Möglich ist es schon, aber dazu braucht es eben dieses Wachsamsein,
den sogenannten 6. oder 7. Sinn, offene Augen, trainierte Sinne…
Ein
Nüchtern-Sein ist gefragt. Tatsächlich ein Verzicht auf sich Zudröhnen: mit
Sucht- und Genussmitteln, oder dieses gar nicht mehr zum Denken kommen vor
lauter Hektik, Vorbereitungen für das Fest. Eine ständige Reizüberflutung: der
5. Punschstand, der 3. Weihnachtsmarkt, das 4. Adventkonzert …
Stress
vermindert die Wahrnehmungsfähigkeit tatsächlich, hat die medizinische
Forschung festgestellt. Das Sprichwort wusste schon immer, dass soviel los sein
kann, dass einem Hören und Sehen vergeht …
Sich
aus allem heraushalten ist aber auch keine Lösung.
Kennen
Sie das Märchen vom Bösen Wolf und den 7 Geißlein? Das kleinste versteckt sich
und schläft in der Pendeluhr, während seine Geschwister gefressen werden. Wir
stecken manchmal so in unserem Alltag, in unseren Systemen drin, dass wir die
furchtbarsten aber auch großartigsten Ereignisse nicht mitbekommen.
Wer
wachsam ist, bekommt mehr mit als sonst, schaut weiter und tiefer als üblich,
ist offen für das Ganze, und das ist mehr als die dreidimensionale Welt. Gottes
Wirklichkeit ist wahrnehmbar für geschulte Augen.
Wir
dürfen rechnen damit, dass Gott handelt.
Wachsam
sein meint aber auch, bei aller Spiritualität und der Offenheit für das Übernatürliche
nüchtern zu bleiben. Nicht jedem Phänomen nachzulaufen, nicht jede esoterische
Geheimniskrämerei oder sich sensationell gebärdende Sonderoffenbarung für bare
Münze zu nehmen. Einen gesunden Blick haben, ein Unterscheidungsvermögen
zwischen echt und religiöser Spintisiererei.
Weltuntergangspropheten
und Sekten gab es zu allen Zeiten …
Wachsam
sein… Wenn wir wach sind, ist das eine aktive Haltung dem Leben gegenüber. Das Gegenteil
wäre: alles passiv über sich ergehen zu lassen. Die Zukunft, das, was andere
planen, …
Adventliches
Erwarten ist nicht „Abwarten und Tee trinken“, sondern ein Darauf Hinarbeiten,
ein Gestalten der Zukunft – die Schwangerschaft der Maria ist ein treffender
Vergleich. Wer ein Kind erwartet, trifft Vorkehrungen: Babysachen, Einrichtung,
Schwangerschaftsgymnastik, Untersuchungen, … Übung in Säuglingspflege. Das
gesamte Leben ändert sich …
Das
Warten auf Jesus Christus verändert unser Leben. Wir bereiten uns vor – durch
Information, Weiterbildung im religiösen Bereich, durch ein Handeln in seinem
Sinne, durch eine Veränderung dieser Welt zum Guten, Hilfsbereitschaft,
Anstand, …
Der
Advent jedes Jahr ist gedacht als Einüben und Hinarbeiten auf das endgültige
Kommen Jesu.
Bedeutet
das jetzt, dass wir all unsere gewohnten liebgewordenen adventlichen Tätigkeiten
vergessen sollen?
Nein,
natürlich nicht.
Wenn
mir das Keksbacken, Basteln, das Geschenkebesorgen, die weihnachtliche Musik
und Dekoration dabei hilft, den Blick für Gott zu öffnen, dann ist es gut.
Wenn
es mich ablenkt vom Wesentlichen oder stresst und nervt, tue ich gut daran, die
eine oder andere Gewohnheit und (Familien)Tradition, die irgendwann sinnvoll
war, auch wieder loszulassen.
Und immer wieder haben wir
die Augen zu gemacht – vor der Wirklichkeit.
Wir wollen nicht hinschauen,
was auf dieser Welt alles los ist, wir geben uns Illusionen hin, wir pflegen
Traditionen und gehen darin auf, so dass kein Platz bleibt für Veränderung oder
Nachdenken, wie es besser sein könnte, wo unser Einsatz, ein Umdenken gefragt
ist.
Wir wollen vieles nicht
wahrhaben. Schauen Nachrichten nicht an, lesen nicht Zeitung … Wir benützen die
Adventstimmung und die vorweihnachtlichen Gefühle dazu, uns abzuschirmen gegen
die „böse raue“ Welt, in Watte gepackt wollen wir sein. Weil wir dem, was da
alles los ist, fürchten, nicht gewachsen zu sein. Aber Gott lädt uns ein,
aufzuwachen. Denn wir dürfen wissen:
Gott interessiert sich für
diesen Planeten und alles, was darauf passiert.
Er oder sie hat die Erde im
Blick – und jeden einzelnen, Sie und mich.
Es ist ihm schon nicht egal,
was mit diesem Himmelskörper geschieht. Wieviel mehr betrifft das die Menschen.
Nur Mut: Wenn wir unsere Augen,
Geist und Sinne öffnen, bemerken wir nämlich auch Gottes Anwesenheit und Wirken
bei uns.
Egal was ist oder sein wird –
wir sind darin geborgen.