Schlagwortarchiv für: Freiheit

Also, heute wie versprochen: Was ist geistliche Begleitung?

 

Es handelt sich um das Erzählen, Mitteilen der eigenen spirituellen (geistlichen) Erfahrungen mit der erklärten Absicht und dem Wunsch, dass die Person, die zuhört, einem gegebenenfalls auch weiterhilft auf dem geistlichen Weg.

Der/die geistliche Begleiter/in vertritt in gewisser Weise Jesus selber, der versprochen hat, mit uns in diesem Leben unterwegs zu sein.

Eigene geistliche Erfahrung bzw. Wissen um mögliche Phänomene, Schwierigkeiten, Irrwege, Sackgassen und gute Methoden, die eigene Spiritualität zu leben und weiterzuentwickeln, sind Voraussetzung; dazu die Grundhaltung der unbedingten Wertschätzung und Offenheit der begleiteten Person gegenüber.

Es gibt eigene Ausbildungslehrgänge für geistliche Begleiter/innen, z. B. im Europakloster Gut Aich.

Im Grunde geht es darum, das eigene Leben im Licht des Evangeliums zu sehen und dementsprechend formen zu lassen.

 

Es gelten dieselben Richtlinien wie z. B. bei Supervision, Psychotherapie, Coaching oder Beichte: Verschwiegenheit, Vertraulichkeit, Respekt vor der Integrität und individuellen Entwicklung des Klienten/der Klientin. Das meint, Aufdrängen eigener Weltanschauung, Meinung oder irgendwelcher Dogmen,das “Lenken” in gewisse Bahnen,z. B. zu einem Ordensleben oder geistlichen Beruf oder die Beeinflussung hinsichtlich einer Lebensentscheidung (Partnerwahl, Berufswahl, …) sind tabu – wenn dergleichen,. wie leider mancherseits üblich, vorkommt, ist das sicheres Zeichen für Minderwertigkeit der Geistlichen Begleitung. Mir ist dies selbst begegnet, und ich kann nur sagen: bitte einen großen Bogen um diese/n Begleiter/in machen!

Manipulation widerspricht der Freiheit und ist Missachtung der persönlichen Integrität, “geistlicher Missbrauch”.

So etwas verhindert das Erfahren ungefilterter göttlicher Liebe und behindert die Entwicklung zu einer eigenständigen reifen spirituellen Persönlichkeit, Sünde gegen den Heiligen Geist.

Qualitativ hochstehende geistliche Begleiter/innen zeigen zwar Wege auf und weisen auch auf möglich Folgen bestimmten Verhaltens hin, verurteilen jedoch niemals die Gewissensentscheidung oder sonst etwas der/des Begleiteten.

Es geht darum, die direkte Kommunikation, die Beziehung zwischen Begleitetem/r und Gott selber zu fördern.

 

 

Predigt                                       Christi Himmelfahrt 2019 Aschach

 

Liebe Brüder und Schwestern!

 

Winnetou, Old Shatterhand, Robin Hood, Aeneas, Odysseus, König Artus, Johanna von Orleans, Gandhi, Friedrich Bonhoeffer, Sophie Scholl, Harry Potter, Mutter Teresa … Bischof Erwin Kräutler …

Echte Personen und erfundene Gestalten –

Was haben sie gemeinsam?

Sie sind unter Umständen das, was wir als Helden oder Heldinnen bezeichnen können.

Was sind Helden?

Sie setzen sich unbedingt für das Gute ein. Für Schwächere, für Gerechtigkeit.

Oft gegen eine Übermacht, gegen den Widerstand der Mächtigen, nehmen Verfolgung und Unbequemlichkeit, Mühe … unbeirrt in Kauf, haben einen guten Charakter, Gerechtigkeitssinn, sind hilfsbereit, sozial eingestellt, geben das Äußerste für ihre Ideale, und die sind sehr hoch.

Vorbilder, Originale, nicht erreichbar, man fühlt sich sicher, wenn sie da sind. Man empfindet es als tragisch, wenn se sterben, wenn sie nicht mehr sind.

 

So in diese Richtung etwa haben sich die Menschen zur Zeit Jesu den Messias erhofft.

Jesus ist durchaus in vielem so gewesen als Mensch auf der Erde.

Aber eben noch viel mehr, er hat den Rahmen gesprengt.

Bei der Himmelfahrt – oder wie wir das, was in Lesung und Evangelium geschildert wird, nennen wollen, geht er noch ein letztes Mal über menschliche Maßstäbe und Erwartungen hinaus.

 

Himmelfahrt – das ist ein Abschied. Ein menschenfreundlicher Abschied. Vorsichtig, behutsam, nach und nach.

Jesu, der Auferstandene, zeigt sich immer und immer wieder den Jüngerinnen und Jüngern.

40 Tage ist keine Zeitangabe, sondern 40 ist die biblische Zahl der Vollkommenheit. Der Abschied, die Phase der Umstellung auf das Neue, dauert genau so lang, wie es gut ist. Eine ideale Zeitspanne. Bis alle Jünger so weit sind und es packen. Trauer und Überraschung und Schock und alte Erwartungen verarbeitet haben.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren: Jesus hätte es gern schneller, er hätte uns Menschen gern selbständiger, mutiger, … und er verabschiedet sich zum frühest möglichen Zeitpunkt.

Es entspricht seinem Wesen und dem Wesen Gottes, uns selbständig agieren zu lassen. Er braucht uns nicht zu kontrollieren wie ein misstrauischer Chef. Er vertraut uns wie seinen besten Freunden.

Gott sieht uns allezeit, aber er schaut uns voll Liebe an wie eine Mutter, die die Fortschritte ihres Kindes beobachtet …

Klopft uns nicht gleich auf die Finger, wenn wir etwas falsch machen, lässt uns die Folgen ausbaden, aber unterstützt uns dabei.

Und nie entzieht er uns das Vertrauen …

 

Jesus handelt auch wie optimale Pädagogen: Er zeigt den Jüngern alles, er lehrt sie alles, er sagt: Was ich tue könnt ihr ebenfalls, und sogar noch Größeres …

Sie waren auch immer wieder ohne ihn, selbständig unterwegs, haben verkündet, geheilt, Wunder gewirkt.

Jesus hat die Seinen zur größtmöglichen Selbständigkeit erzogen.

 

Die allzu Zaghaften tröstet er mit der Zusage: ich bin eh bei euch…

Wir brauchen seine Freundschaft, wir brauchen das: zu fragen: was hätte Jesus gesagt, was würde er in einer bestimmten Situation tun, wie würde er entscheiden …

Da könnte sich die Kirche ein gutes Stück abschneiden: Entscheidungen, die von Angst oder Kontrolle, von Vertrauensverlust oder -verweigerung bestimmt werden, kommen ganz sicher nicht vom Heiligen Geist.

Wartet, bis der Heilige Geist euch erfüllt – wartet mit Entscheidungen, bis ihr das ganz deutlich spürt …

 

Aber dann nichts wie los.

 

 

Liebe Brüder und Schwestern, liebe Kinder!

 

Notre Dame de Paris – wie ist es Ihnen am Montag Abend gegangen? Als ich die Meldung vom Brand dieser Kirche, eine der wunderbarsten der Welt, gehört habe, habe ich momentan blankes Entsetzen gespürt.

Wie ein Schock. Da fehlen einem die Worte, es bildet sich eine Gänsehaut…

Etwas Schönes, Großartiges ist unwiderruflich zerstört.

 

So ein Entsetztsein hat etwas mit dem Karfreitag zu tun.

Wir haben gerade die Passionslesung gehört – packt es uns noch, dieses Entsetzen, wie konnte das passieren, dass der wunderbarste aller Menschen, der in seinem ganzen Leben immer nur Gutes getan hat, ein solches Ende nimmt, verurteilt wird, gekreuzigt …? Als Kind habe ich mir immer gedacht, es müsste doch gut ausgehen können …

 

Die Anhänger Jesu haben so ein Entsetzen gespürt. Das totale Zunichtemachen aller Hoffnungen. Das Leiden und Sterben des verehrten und geliebten Meisters, wie sie ihn nannten.

Wir dürfen annehmen, Gott selber spürte dieses Entsetzen, die in den Evangelien festgehaltenen Naturereignisse: Finsternis, Erdbeben … deuten darauf hin. Weltuntergangsstimmung. Die bisherige Ordnung aus den Fugen geraten.

Gott selber wird gehasst und ans Kreuz geschlagen von einer Menschheit, die ihn nicht aushält, nicht erträgt.

 

Wir glauben, dass Jesus auferstanden ist und in Wahrheit letztlich alles gut ausgeht – aber noch ist das Entsetzen nicht vorbei.

 

Beim Brand der französischen Kathedrale waren sehr viele erschüttert, darunter viele Prominente, und man ging unverzüglich daran, vom Beheben des Schadens zu sprechen, zu spenden, zu planen, zu organisieren.

Denn, da ist man sich einig: Diese wunderbare Kirche mitten in Paris – um die ist schade.

 

Dennoch, liebe Brüder und Schwestern: Es ist nur eine Kirche, ein materielles Objekt.

 

Wie steht es um die unzähligen Menschen, die Tag für Tag unter verheerenden Umständen umkommen: in kriegerischen Konflikten, durch Verbrechen, an Hunger und Not, an einer Krankheit, die in Mitteleuropa mit einem gewissen Aufwand aber doch ziemlich rasch geheilt werden könnte?

Oder die Missbrauchsfälle an Kindern… Terror an Unschuldigen, Unbeteiligten …

 

Wir fragen da schnell: Wie kann Gott so etwas zulassen? Warum greift er nicht ein?

Warum greift er nicht durch?

 

Die Liebe Gottes zu uns Menschen ist größer als die Gerechtigkeit.

Die Freiheit des Menschen ist Gott so wichtig, dass er lieber leidet, ja von Entsetzen gebeutelt mitansieht, wie es hier auf der Erde zugeht, als uns diese Freiheit zu nehmen oder auch nur zu beschneiden.

Aber das bedeutet keineswegs, dass Gott tatenlos zusieht.

Liebe Brüder und Schwestern, Gott tut sehr wohl etwas: Er geht aus seiner himmlischen Glückseligkeit heraus, erhält den Sohn, sich selbst, hin, Gott leidet, und sein Schmerz wird sichtbar am Kreuz, an das Jesus geschlagen ist…

Gott hält sich nicht heraus.

Jedoch tut er das, was keiner erwarten würde:

 

Gott ist nicht so, wie die meisten Menschen ihn sich vorstellen.

Das Über sich verfügen Lassen ist die Art Gottes, seine Liebe unter Beweis zu stellen – die Hände nicht erheben können, weil sie festgenagelt wurden – was ist das für ein Schmerz, die Möglichkeiten zur positiven Änderung, zu helfen, zu haben – und tatenlos mitansehen zu müssen, wie etwas den Bach runter geht?

 

Vielleicht stellt jemand die Frage: Greift also Gott nie ein?

O doch.

Aber nur, wenn wir bitten. Und er liebt und schätzt die ungemein, die das tun. Denn sie eröffnen die Möglichkeit, allmächtig zu sein und nicht untätig zusehen zu müssen. Die Möglichkeit, dass sich alles ändert.

Kennt ihr auch Menschen, die über ihr Kontrollverhalten Macht ausüben, anderen die Kraft rauben? Aufdringlich sich selbst zum Maßstab machen und andere abwerten?

Wenn man sie fragen würde, sie wären felsenfest davon überzeugt, friedliebend, geistig, spirituell hochstehend, hilfsbereit und was weiß ich noch zu sein.

Jesus war immer wieder mit solchen Menschen konfrontiert.

Sie wussten genau, wie er sich hätte verhalten sollen.

Sie waren”die Guten”, auf jeden Fall.

Pharisäer, die sich das Recht herausnahmen, über andere zu urteilen.

 

In letzter Zeit war ich mit dergleichen belastet.

Heute kam ich erst drauf, dass es so sein musste. Auch ich merke sowas nicht immer sofort.

Zum Glück kenne ich eine bewährte Methode, die hilft:

 

Stell dir ein Körbchen vor, ganz plastisch. Setze die betreffende Person in deiner Vorstellung hinein, und bitte dann Gott, diesen Menschen in Empfang zu nehmen. Zu übernehmen, zur weiteren Behandlung und Fürsorge.

Wirf das Körbchen in hohem Bogen in das nächste große fließende Gewässer (von hier aus ist es die Donau).

Sie in Gedanken, wie es da schwimmt, wie die Person vom Fluss des Lebens mitgenommen, weitergetragen wird.

Freue dich, dass du ihn/sie los bist. Du bist nicht zuständig für diesen Menschen, und er/sie ist in den besten Händen.

Spüre die Freiheit, danke.

 

Es war ein Genuss, die anschließende Freiheit und Erleichterung zu spüren.