Predigt
21. 6. 2020 Haid
Liebe
Brüder und Schwestern, liebe Kinder!
„Muss
ich euch das wirklich dreimal sagen!?“
Wer
sagt so etwas, wer hat das schon einmal von jemandem gehört?
Genervte
Eltern zu den Kindern: … dass ihr im Wohnzimmer nicht Ball spielen sollt! … –
dass die Kirschen noch nicht reif sind und ihr sie noch nicht essen sollt …
dass zuerst die Hausübung gemacht wird und ihr nachher auf dem Spielplatz dürft
…?!“ Oder vom Arzt: „… Dass Ihre Beschwerden nicht besser werden, solange Sie
Ihre Ernährung nicht umstellen …“
Meistens
ist es etwas, was wir NICHT tun sollen.
Auch
Jesus sagt im heutigen Evangelium etwas dreimal: Fürchtet euch nicht!“
Diese
Aufforderung steht im Neuen Testament übrigens genau 120 mal. Engel sagen es,
Gott selber, und eben Jesus.
Ja
gut, werden wir jetzt sagen, aber Angst ist doch normal, die tritt einfach auf,
was kann ich da dagegen schon tun?
Angst,
Furcht hat aber 2 Nuancen.
Es
gibt die gesunde Angst. Der Mechanismus des Unterbewusstseins: Kampf oder Flucht.
Der Puls beschleunigt sich, alle Kraftreserven werden mobilisiert, um adäquat
auf die aktuelle Situation reagieren zu können. Es würde zu lange dauern, wenn
wir bewusst darüber nachdenken müssten, also geht es praktisch automatisch.
Gäbe es diese Art der Angst nicht, wäre die Menschheit vermutlich schon
ausgestorben.
Und
dann gibt es die Angst, die gelernt wurde, die antrainiert ist, die
gesellschaftlich oder kulturell üblich und allgemein ist, aber vielleicht nicht
oder schon lange nicht mehr logisch begründbar. … Was könnten die anderen
denken … religiöse oder gesellschaftliche Tabus … eine Katastrophe könnte
ausbrechen, wenn …
Die
wirklich gute Nachricht heute von Gott an uns: er möchte uns Menschen von
beiden Arten der Furcht frei machen.
Die
Angst nämlich, dass die Jünger Jesu verfolgt werden würden, zu Außenseitern der
Gesellschaft, Verurteilung und Tod drohten, war in der Realität begründet. Es
waren Tatsachen, mit denen gerechnet werden musste.
Und
nicht einmal da sollen sie sich fürchten.
Wie
viel mehr, liebe Brüder und Schwestern, gilt die Aufforderung zur
Furchtlosigkeit uns heute!
Wovor
fürchten sich Menschen in unseren Breiten, zu unserer Zeit im Normalfall?
Wovor
haben wir Angst – Sie und ich? Höchstwahrscheinlich nicht vor Verfolgung
aufgrund unserer Glaubenszugehörigkeit.
Eher
vor schwerer Krankheit und Tod. Vor Schmerzen, vor Leiden, vor Unheilbarkeit.
Davor,
einen lieben Menschen zu verlieren.
Dann
gibt es die Angst, zu wenig zu bekommen – an materiellen Gütern.
An
Zuwendung, Aufmerksamkeit und Liebe.
Und
die Angst, dass die eigenen Rechte beschnitten werden, dass die Integrität
verletzt wird, die Würde.
All
diese Ängste machen das Denken eng. Sie sind Ursache sämtlicher Sünden, die wir
auf dieser Erde kennen. Sich bereichern auf Kosten anderer, auf Kosten der
Natur, auf Kosten der Völker im Süden, in armen Ländern. Falschheit,
Misstrauen, Hass, Gewalt, Verstellung, Zurückhaltung von Informationen, andere
klein halten, damit man selbst groß herauskommt … lauter Absicherungsmaßnahmen,
damit es einem selbst so gut wie möglich geht. Fanatismus in den Religionen,
Unterdrückung, weltanschauliche Verfolgung… Unfreiheit, mangelnde Bildung …
untaugliche aber allgemein verbreitete Mittel, um de eigene angst zu bekämpfen,
die eigene Unsicherheit in Glaubensfragen, Zweifel nicht aufkommen zu lassen…
In
den vergangenen Monaten haben wir erlebt, wie die Angst vor Erkrankung und die
Angst vor Unfreiheit durch Kontrolle und Überwachung aufeinanderprallen.
Angst
ist eine schlechte Ratgeberin, wie es das Sprichwort sagt.
Vor
vielen Jahren hat ein Exerzitienbegleiter zu mir gesagt: Die einzige wirkliche
Sünde ist das Misstrauen Gott gegenüber, dass wir seiner Güte nicht vertrauen.
Oder,
das sage ich: dass wir ihn aus unseren Überlegungen überhaupt ausblenden und
tun, als gäbe es ihn nicht.
Jesus
lädt uns ein zum gelingenden Leben. Er möchte, dass wir glücklich sind. Wenn er
uns auffordert und herausfordert, unsere Furcht loszulassen, dann setzt er
etwas dagegen, dann bietet er uns eine Alternative an: Das Gottvertrauen
imBewusstsein, dass meine Haare auf dem Kopf gezählt sind, dass alle meine
Ängste und Sorgen und Lebensumstände – gegebenenfallls auch Missstände –
bestens bekannt, liebevoll im Blick Gottes geborgen und aufgefangen sind.
Die
äußeren Umstände haben nicht die letzte Macht und das letzte Wort – die oberste
Instanz ist Gott selber, an den wir uns jederzeit wie an einen guten Papa
wenden dürfen. Und Jesus ist bei uns. Wenn ich das weiß, dann besteht
tatsächlich kein Grund, sich zu fürchten.
In
meiner Jugend war ich zwei Jahre krank, zeitweise litt ich unter derart
schlimmen Kreislaufstörungen, dass ich eigentlich am liebsten nicht außer Haus
gegangen wäre. Es kam für mich nicht in Frage, eingesperrt zu sein, nicht
fortzugehen, studieren, einkaufen gehen usw…Leute treffen.
Ich
habe dann wortwörtlich darauf vertraut, dass Jesus wie ein Bruder oder Freund
überall mit mir hingeht. Das hat mir wirklich geholfen.
Die
Angst löste sich auf.
Und
das wird sie bei jedem von uns tun. Wenn es eng wird, richten wir unseren Blick
auf den, der bei uns ist, und er wird sich weiten.