Predigt 6. So. d. Osterzeit 16./17. 5. 2020
Liebe Brüder und Schwestern!
Aha,
haben wir eh befürchtet, es geht also doch vor allem darum, Gebote einzuhalten
im Christentum … wie vor 100 Jahren üblich, Hauptsache brav und gehorsam…?
Liebe
Mitchristen, wir sind eingeladen, genau hinzuhören.
Jesus
sagt im Evangelium: Wer meine Gebote hat und hält, ist es, der mich
liebt…
Wir
erinnern uns: Jesus hat sich selber des öfteren nicht an die Gebote und
Vorschriften der Pharisäer, des stenggläubigen Judentums gehalten – nämlich
immer dann, wenn sie lebensfeindlich waren, wenn sie der Liebe diametral
entgegengestanden sind.
Jesus selbst hat
stets gegen engstirnige Auslegung gekämpft – man wollte ihm verbieten, am
Sabbat zu heilen. Verurteilt ist er mit dem Argument worden: Wir haben ein
Gesetz und nach dem muss er sterben – nämlich als Gotteslästerer.
Schauen
wir, welche Gebote sind das denn, die Jesus gibt? Finden wir etwas im
Evangelium?
Da gäbe es zunächst
einmal die Bergpredigt.
Einige Sätze fallen
mir spontan ein aus den Evangelien:
Seid barmherzig.
Vergebt nicht 7x,
sondern 77 mal.
Liebt Gott von ganzem
Herzen und euren Nächsten wie euch selbst.
Liebt eure Feinde,
tut gutes denen, die euch hassen.
Betet für die, die
euch verfolgen.
Sorgt euch nicht
ängstlich.
Bemüht euch, durch
die enge Tür zu gelangen.
Na gut, werden wir
sagen. Aber viel Konkretes ist da nicht herauszufiltern.
Aber um das geht es
auch nicht.
Jesu Absicht ist es
nicht, ein Gesetzeswerk zu hinterlassen. Klar ist für Jesus, dass z. B. die 10
Gebote gelten.
ABER: Er verspricht,
bei uns zu sein bis zum Ende der Welt.
Es geht darum, auf
ihn zu hören.
Sich auf ihn
einzulassen. Sein Wesen zu erfassen und unser Handeln, ja unser ganzes Denken
und Sein nach ihm in Liebe auszurichten.
In den letzten Wochen
sind gerade unter Christen immer wieder Zweifel aufgekommen im Zusammenhang mit
den Bestimmungen, den Beschränkungen angesichts der Coronakrise.
Das Wesen des
Christentums ist doch Gemeinschaft, Zusammenhalten, der Heilige Geist stiftet
Verbindung, Kontakt, konkrete Nähe zwischenMenschen.
Im heutigen
Evangelium, in der frohen Botschaft Jesu, bekommen wir da genau die
Hilfestellung, die wir brauchen.
Jesus verspricht uns
als Beistand den Heiligen Geist – und der ist lebendig. Was lebendig ist, ist
nicht ein für alle Mal starr und fix. Ein Organismus, der sich nicht mehr
verändert, ist tot.
Jesu Gesetz besteht
nicht in starren Prinzipien, die ein für allemal gültig sind.
Das ist auch der
Unterschied zu einem fundamentalistischen Buchstabengehorsam.
Das – das – Unterscheidungsmerkmal
ist die Liebe, die je größere Liebe.
Wenn Nähe,
Gemeinschaft, zwischenmenschlicher Kontakt extrem hohe Werte sind – dann kann
es dennoch sein: dass in der Coronazeit Abstand, Distanz, weniger Kontakt das
liebevollere Verhalten darstellen – weil es lebenserhaltend ist.
Es hat so Ansätze von
Brutalo-Katholizismus gegeben. Nein, keinen Gottesdienst feiern widerspricht
dem Christentum, nicht zusammenkommen, keine Körperkontakt, keine
Sterbesakrament – das ist ja unchristlich, da sollten wir uns besser gar nicht
dran halten …
Gottes
lebensspendender Geist ist uns geschenkt, damit wir uns leicht tun zu
unterscheiden: Wo ist etwas menschenfeindlich, wo werden Vorschriften oder
sogar die Religion benützt, um anderen das Leben schwer zu machen — und wo
sind sie menschenfreundlich, d. h. ermöglichen und garantieren Leben und machen
das Leben leichter.
Es ist unsere Aufgabe
als mündige Christen: immer wieder neu zu erforschen: Wo ist der Geist Jesu
Christi eher am Werk?