Allerseelen. Predigt
Liebe Brüder und Schwestern!
Fürchten Sie sich vor dem Tod? Oder gehen Sie ihm gelassen und getrost entgegen?
Was fühlen und denken Sie, wenn sie daran denken, dass Sie eines Tages sterben werden?
Es ist durchaus angebracht, dass wir uns mit dieser Frage beschäftigen. Denn:
Unser Sterben ist das einzige Ereignis, das uns allen, jedem/r einzelnen, todsicher bevorsteht.
In der öffentlichen Meinung, in Büchern und Fernsehbeiträgen, Zeitungen und Liedern usw. und auch im religiösen und kirchlichen Bereich gibt es verschiedene Meinungen, wie mit dem Tod umzugehen sei:
- Die Toten bleiben lebendig, weil und insofern wir oft an sie denken. Grab pflegen, oft besuchen, Kerzen anzünden, Erinnerung hochhalten (Fotos, deren Besitztümer …)
- Sterben ist ganz normal, weil das Erdenleben sowieso nur eines von vielen ist und wir eh wieder geboren werden.
- Man braucht sich vor dem Tod nicht fürchten, weil es dann nicht „aus“ ist, sondern in anderer Form weitergeht, schöner und besser, schmerzfrei, und man die vorausgegangenen Lieben wieder trifft.
- Und dann gibt es noch immer oder schon wieder diese Angstmacherei, wo Menschen mit Höllenvisionen und Drohbotschaften terrorisiert werden. Obwohl man einmal vor 30 Jahren geglaubt hat, damit ist es endgültig vorbei.
Wenn wir uns von dieser letzten Vorstellung zu Recht abwenden, so ist damit noch nicht gesagt, dass uns die anderen erstgenannten froh machen.
Mir kommt das so als Verharmlosung vor. Teils ein Verdrängen, was auch von weiten Kreisen gemacht wird, aber doch so ein nicht ganz ernst Nehmen, auf die leichte Schulter, so als ob eh nichts Besonderes passiert …
Bei der Idee von der Wiedergeburt erlebt man es ja immer wieder, dann kanns nicht so arg sein.
Es ist verständlich, wenn Menschen bestrebt sind, eigene und fremde Angst zu bekämpfen. Aber wird da nicht etwas ganz Wesentliches weggenommen, und vorenthalten, was zum Menschsein dazugehört?
Viele leiden darunter – meist ohne zu wissen, wieso -, dass vieles nicht ernst, beliebig ist, dass es so aussieht, als käme es auf den einzelnen Menschen nicht an, als sei wurscht, was wir sagen, denken, glauben, hoffen, tun, entscheiden … wofür wir uns einsetzen, welche Partei wir wählen oder Regierung wir haben …
Vor Jahrzehnten schon gab es das Buch „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“.
Wir Menschen halten es nicht aus ohne Tiefe, ohne Ernsthaftigkeit, ohne Sinn.
Der Tod ist der Ernstfall des Lebens.
Da gibt es kein Ausweichen. Da vertritt uns niemand.
Da kommt es auf uns an. Nur auf uns.
Da geschieht an uns, was nicht rückgängig gemacht und kein weiteres Mal erlebt werden kann.
Es ist normal und soll niemand ausgeredet werden, sich zu fürchten davor.
Aber nicht, weil es bestimmt so furchtbar und schrecklich werden wird, sondern weil dieses Geschehen so wichtig und unwiederholbar und einzigartig ist.
Weil es in diesem Moment ganz auf uns ankommt. Furcht im Sinn von Ehrfurcht …
Und – ja, Jesus hat es so gesagt und ich glaube, weil wir vor Gottes Angesicht stehen und uns unserer Verantwortung bewusst werden, die wir während unseres Lebens hier gehabt haben.
Die Ernstfälle des Lebens, wo es ganz auf uns ankam oder angekommen wäre. Wir nehmen diese Verantwortung ja nicht immer wahr.
Die Momente, wo wir zu Recht aufgeregt sind – wegen ihrer Bedeutung und Tiefe – wenn wir einen Beruf wählen und antreten, ein Haus kaufen oder verkaufen, heiraten, ein Kind bekommen, beim schwerer Krankheit oder Tod von Nahestehenden, wenn wir einem Menschen beistehen, wenn wir für Recht und Gerechtigkeit und Wahrheit oder Menschenliebe, Barmherzigkeit einstehen, uns zu Wort melden und einsetzen entgegen einer andersdenkenden Mehrheit, wo wir unserem Gewissen folgen, obwohl wir Nachteile für uns erwarten müssen.
Diese Ernstfälle des Lebens sind es, die uns vorbereiten für den letzten.
Wie soll ein Mensch vorbereitet sein, wenn er diese Gelegenheiten alle vermieden und versäumt hat?
Wir schieben auch die Begegnung mit dem lebendigen Gott auf – zumindest viele von uns. Auch da brauchen wir keine Angst zu haben im Sinn von etwas Schrecklichem, das uns widerfahren könnte – sehr wohl aber ist es aufregend und spannend, herausfordernd, in diese Beziehung einzutreten.
Und dieser „Ernstfall des Lebens“ kann immer und jederzeit eintreten, von uns wahrgenommen werden.
Drücken wir uns nicht davor.
Lassen wir die Augenblicke unseres Lebens nicht achtlos verstreichen. Sie sind zu kostbar dafür. Sie sind uns geschenkt, damit wir etwas daraus machen.
Unsere Persönlichkeit ändert sich nicht, sobald wir gestorben sind. Und unser Leben auch nicht mehr. Wir werden die sein, zu denen wir uns entwickelt haben – mit genau der Gottesbeziehung und –vertrautheit, die wir uns heute und hier schenken haben lassen, die wir zugelassen haben.
Ob es uns danach so vorkommen wird wie in einem fremden Land, in das wir eigentlich nicht wollten, oder wie die Heimat, die wir schon lange oder zumindest insgeheim erhofft haben, das, liebe Brüder und Schwestern, denke ich, liegt an uns.
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