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Predigt beim heutigen Begräbnisgottesdienst

Die Last Jesu – wieso ist sie leicht?

Ihr Vater, Ihr Opa, hat das selber offenbar gespürt.

Nach dem Tod seiner lieben Gattin ist er immer wieder hierher in die Kirche gegangen, so lange er es konnte, jeden Sonntag in den Gottesdienst.

Nachher ist es ihm besser gegangen. Sonst hätte er wohl aufgehört damit.

Wir stellen uns Gott manchmal abschreckend vor – wie einen Bilanzbuchhalter, der unsere guten und bösen Taten aufrechnet vielleicht – oder wie einen Polizisten, der genau kontrolliert, ob wir nur ja kein Gebot übertreten.

Ja, in der Bibel steht etwas davon ,dass Gott, ja dass Jesus am Ende als Richter kommt.

Aber nicht als Rächer.

Richten, da steckt herrichten drin.

Kaputtes reparieren. Verwundetes heilen. In Unordnung Geratenes neu ordnen.

Menschen richten sich her, bevor sie zu einem Fest gehen oder ins Theater und Konzert.

So macht uns Gott schön. In der Nähe Gottes, wenn wir es zulassen, dass Jesus es tut, es zwingt und niemand dazu – dann macht er uns präsentabel.So, wie wir im Idealfall sein können.

Oder sein hätten können.

Wie eine Kurbehandlung dürfen wir uns das vorstellen.

In diesem Sinne: wir sind natürlich eingeladen, das für uns jederzeit in diesem Leben schon zu tun – aber vertrauen wir den Verstorbenen, der uns wichtig ist, diesem guten Gott an.

Die Ruhe, den Frieden, gönnen wir sie ihm von Herzen.

Liebe Brüder und Schwestern!

Fürchten Sie sich vor dem Tod? Oder gehen Sie ihm gelassen und getrost entgegen?

Was fühlen und denken Sie, wenn sie daran denken, dass Sie eines Tages sterben werden?

Es ist durchaus angebracht, dass wir uns mit dieser Frage beschäftigen. Denn:

Unser Sterben ist das einzige Ereignis, das uns allen, jedem/r einzelnen, todsicher bevorsteht.

In der öffentlichen Meinung, in Büchern und Fernsehbeiträgen, Zeitungen und Liedern usw. und auch im religiösen und kirchlichen Bereich gibt es verschiedene Meinungen, wie mit dem Tod umzugehen sei:

  1. Die Toten bleiben lebendig, weil und insofern wir oft an sie denken.  Grab pflegen, oft besuchen, Kerzen anzünden, Erinnerung hochhalten (Fotos, deren Besitztümer …)
  2. Sterben ist ganz normal, weil das Erdenleben sowieso nur eines von vielen ist und wir eh wieder geboren werden.
  3. Man braucht sich vor dem Tod nicht fürchten, weil es dann nicht „aus“ ist, sondern in anderer Form weitergeht, schöner und besser, schmerzfrei, und man die vorausgegangenen Lieben wieder trifft.
  4. Und dann gibt es noch immer oder schon wieder diese Angstmacherei, wo Menschen mit Höllenvisionen und Drohbotschaften terrorisiert werden. Obwohl man einmal vor 30 Jahren geglaubt hat, damit ist es endgültig vorbei.

Wenn wir uns von dieser letzten Vorstellung zu Recht abwenden, so ist damit noch nicht gesagt, dass uns die anderen erstgenannten froh machen.

Mir kommt das so als Verharmlosung vor. Teils ein Verdrängen, was auch von weiten Kreisen gemacht wird, aber doch so ein nicht ganz ernst Nehmen, auf die leichte Schulter, so als ob eh nichts Besonderes passiert …

Bei der Idee von der Wiedergeburt erlebt man es ja immer wieder, dann kanns nicht so arg sein.

Es ist verständlich, wenn Menschen bestrebt sind, eigene und fremde Angst zu bekämpfen. Aber wird da nicht etwas ganz Wesentliches weggenommen, und vorenthalten, was zum Menschsein dazugehört?

Viele leiden darunter – meist ohne zu wissen, wieso -, dass vieles nicht ernst, beliebig ist, dass es so aussieht, als käme es auf den einzelnen Menschen nicht an, als sei wurscht, was wir sagen, denken, glauben, hoffen, tun, entscheiden … wofür wir uns einsetzen, welche Partei wir wählen oder Regierung wir haben …

Vor Jahrzehnten schon gab es das Buch „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“.

Wir Menschen halten es nicht aus ohne Tiefe, ohne Ernsthaftigkeit, ohne Sinn.

Der Tod ist der Ernstfall des Lebens.

Da gibt es kein Ausweichen. Da vertritt uns niemand.

Da kommt es auf uns an. Nur auf uns.

Da geschieht an uns, was nicht rückgängig gemacht und kein weiteres Mal erlebt werden kann.

Es ist normal und soll niemand ausgeredet werden, sich zu fürchten davor.

Aber nicht, weil es bestimmt so furchtbar und schrecklich werden wird, sondern weil dieses Geschehen so wichtig und unwiederholbar und einzigartig ist.

Weil es in diesem Moment ganz auf uns ankommt. Furcht im Sinn von Ehrfurcht  …

Und – ja, Jesus hat es so gesagt und ich glaube, weil wir vor Gottes Angesicht stehen und uns unserer Verantwortung bewusst werden, die wir während unseres Lebens hier gehabt haben.

Die Ernstfälle des Lebens, wo es ganz auf uns ankam oder angekommen wäre. Wir nehmen diese Verantwortung ja nicht immer wahr.

Die Momente, wo wir zu Recht aufgeregt sind – wegen ihrer Bedeutung und Tiefe – wenn wir einen Beruf wählen und antreten, ein Haus kaufen oder verkaufen, heiraten, ein Kind bekommen, beim schwerer Krankheit oder Tod von Nahestehenden, wenn wir einem Menschen beistehen, wenn wir für Recht und Gerechtigkeit und Wahrheit oder Menschenliebe, Barmherzigkeit einstehen, uns zu Wort melden und einsetzen entgegen einer andersdenkenden Mehrheit, wo wir unserem Gewissen folgen, obwohl wir Nachteile für uns erwarten müssen.

Diese Ernstfälle des Lebens sind es, die uns vorbereiten für den letzten.

Wie soll ein Mensch vorbereitet sein, wenn er diese Gelegenheiten alle vermieden und versäumt hat?

Wir schieben auch die Begegnung mit dem lebendigen Gott auf – zumindest viele von uns. Auch da brauchen wir keine Angst zu haben im Sinn von etwas Schrecklichem, das uns widerfahren könnte – sehr wohl aber ist es aufregend und spannend, herausfordernd, in diese Beziehung einzutreten.

Und dieser „Ernstfall des Lebens“ kann immer und jederzeit eintreten, von uns wahrgenommen werden.

Drücken wir uns nicht davor.

Lassen wir die Augenblicke unseres Lebens nicht achtlos verstreichen. Sie sind zu kostbar dafür. Sie sind uns geschenkt, damit wir etwas daraus machen.

Unsere Persönlichkeit ändert sich nicht, sobald wir gestorben sind. Und unser Leben auch nicht mehr. Wir werden die sein, zu denen wir uns entwickelt haben – mit genau der Gottesbeziehung und –vertrautheit, die wir uns heute und hier schenken haben lassen, die wir zugelassen haben.

Ob es uns danach so vorkommen wird wie in einem fremden Land, in das wir eigentlich nicht wollten, oder wie die Heimat, die wir schon lange oder zumindest insgeheim erhofft haben, das, liebe Brüder und Schwestern, denke ich, liegt an uns.

Heute habe ich einen jungen Mann beerdigt, der aus der Kirche ausgetreten war, weil er nicht glauben konnte.

Dieses Gedicht von Marie Luise Kaschnitz habe ich am Grab vorgelesen:

 

Glauben Sie fragte man mich
An ein Leben nach dem Tode
Und ich antwortete: ja
Aber dann wusste ich
Keine Antwort zu geben
Wie das aussehen sollte
Wie ich selber
Aussehen sollte
Dort

Ich wusste nur eines
Keine Hierarchie
Von Heiligen auf goldenen Stühlen
Sitzend
Kein Niedersturz
Verdammter Seelen
Nur

Nur Liebe frei gewordene
Niemals aufgezehrte
Mich überflutend

Kein Schutzmantel starr aus Gold
Mit Edelsteinen besetzt
Ein spinnwebenleichtes Gewand
Ein Hauch
Mir um die Schultern
Liebkosung schöne Bewegung
Wie einst von tyrrhenischen Wellen …
Wortfetzen
Komm du komm

Schmerzweb mit Tränen besetzt
Berg- und Talfahrt
Und deine Hand
Wieder in meiner

 

So lagen wir lasest du vor
Schlief ich ein
Wachte auf
Schlief ein

Wache auf
Deine Stimme empfängt mich
Entlässt mich und immer
So fort

Mehr also, fragen die Frager
Erwarten Sie nicht nach dem Tode?
Und ich antwortete
Weniger nicht.

Liebe Brüder und Schwestern, liebe Kinder!

 

Jesus ist auferstanden!

Woher wissen wir das? Woher nehmen wir das Recht, das so laut zu verkünden und heute zu feiern?

Mit wissenschaftlichen Methoden beweisen, dass Jesus auferstanden ist, physikalisch messbar, vielleicht mit Foto, können wir nicht.

Wir dürfen aber glaubwürdigen Menschen, den ersten Zeugen, vertrauen.

 

Maria Magdalena hatte, als sie am frühen Morgen damals die Stadt verließ und zum Grab ging, nicht die Absicht, dem Auferstandenen zu begegnen. Ganz im Gegenteil – sie wollte den Leichnam noch einmal ordentlich salben, nicht so schnellstmöglich am Spätnachmittag des Karfreitag durch Nikodemus und Josef geschehen, vor Sonnenuntergang musste jeder gläubige Jude gewaschen und umgezogen für das Pessachfest zu Hause sitzen.

Sie wollte an Jesus denken, der ihr zum wichtigsten Menschen geworden war, beten, trauern …

Der Stein ist weg, das Grab geöffnet und ohne Leiche. Leer. Geschockt läuft sie zurück zum Abendmahlssaal und alarmiert Petrus, den Sprecher der Jüngerschar. Dann läuft sie wieder mit zurück zum Grab.

Was erwartet sie? Dass der Leichnam doch noch irgendwo auftaucht? Dass Petrus und Johannes eine Spur finden, einen Hinweis, der das Rätsel etwas erhellt?

 

Johannes, der Theologe unter den Evangelisten, schildert als einziger die Begegnung zwischen Maria aus Magdala und Jesus.

Die Situation der Frauen damals in der jüdischen Gesellschaft war ca. so wie die heutige im Jemen oder Oman oder Saudiarabien. Frauen hatten in der Öffentlichkeit nichts zu melden. Sie kamen als Zeugen vor Gericht nicht in Frage. Darum ist es so wichtig, dass Petrus und Johannes dazukommen, das schildert ebenfalls nur das Johannesevangelium.

Die ersten Begegnungen des Auferstandenen mit den drei Frauen am Ostermorgen, diese Begegnung mit Maria und erst recht der Auftrag, die Auferstehung den Aposteln und den anderen Jüngern zu verkünden, so etwas hätte kein kalkulierend denkender Mensch in die Osterevangelien hineingeschrieben, ja nicht einmal weitererzählt. Es wäre irgendwo zwischen den Rubriken irrelevant und unglaubwürdig eingestuft worden.

 

Dass das im Gegenteil als so wichtig gilt, dass es extra betont wird, spricht dafür, dass es wirklich so war.

 

Wo ereignet sich Auferstehung heute, bei uns? Wo können wir Auferstehung erleben? Und wo nicht?

 

Ich habe für heute wieder den kleinen Baum nach vorne gestellt.

Als er noch ganz kahl war, haben wir versucht, ihm ein schöneres Aussehen zu verleihen, wir haben das Bild von der Zukunft dazu entworfen, Blätter und Blüten aus Papier an die Äste gehängt.

 

Oft halten wir das Nichts, den Tod, die Leere und Stille, wo sich vermeintlich nichts tut, nicht aus – und wir verschönern die Situationen, Mit Aktionen und Beschäftigungen, mit Vergnügen, mit Dekomaterial, mit Besitztümern, mit Phantasie … So stellen wir eine Illusion her von blühendem Leben, das aber nicht real vorhanden ist.

Aber Auferstehung ist anders. Es braucht Mut und Geduld. Neues Leben zeigt sich nicht von heute auf morgen.

Wie die Blätter und Blüten ein paar Wochen brauchen und dann plötzlich aufbrechen.

 

Wir sind eingeladen, es so zu machen wie die erste Zeugin.

Wenn wir den Tod in allen seinen Formen nicht mehr leugnen, sondern uns stellen, auf die Gräber schauen, auf das, was unheil ist in unserer Welt, in unserem Leben – Trauer und Schmerz zuerst ernstnehmen, d. h., uns dem hingeben. Weinen und klagen. Gemeinschaft und Austausch mit Gleichgesinnten suchen und pflegen.

Dennoch nicht Erlösung, Lösung der Probleme allein von Menschen erwarten – nur mit menschlichen messbaren Kräften rechnen: Jemand muss den Stein weggewälzt, jemand die Leiche weggeschafft haben. Jemand (kompetenterer, anderer, besserer … kann die Lösung eher herausfinden als ich selber.

Aufhören, hektisch von einem Ort zum anderen zu laufen ohne innezuhalten. Den Aktivismus sein lassen.

Und dann genau hinschauen. Wenn wir uns nicht voll und ganz den Menschen zuwenden, auch und gerade denen, die uns gerade vermeintlich stören – denn in ihnen können wir es unversehens mit Jesus zu tun bekommen.

 

Der Theologe Johannes tut noch etwas: Der Garten, in dem Gott und Mensch von Angesicht zu Angesicht miteinander reden, das ist der Urzustand, wie er in der Paradieseserzählung am Alten Testament angenommen wird. Es ist der Idealzustand. Darauf spielt diese Szene an.

Durch die Auferstehung ist die Ära des Paradieses wieder angebrochen. Die Botschaft aller Propheten erfüllt sich: Gott selber nimmt Kontakt auf mit dem Menschen, tröstet und richtet auf. Das gilt auch uns, heute und hier und weltweit.

Wenn wir offen sind dafür. Und das wünsche ich Ihnen allen und mir.