unerträglich … oder Denkanstoß?

Predigt 25. 8. 2024

Liebe Brüder und Schwestern!

„Was er sagt, ist unerträglich.“

Einmal ehrlich: Wer von uns denkt sich das nicht des öfteren angesichts mancher Jesusworte, mancher Bibelstellen?

Gerade bei dem Abschnitt aus dem Brief an die Epheser, den wir zur Lesung gehört haben, einige sind, wie auch ich innerlich, zusammengezuckt, als es hieß: „Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter…“. Noch dazu wie Christus, dem Herrn. Nirgendwo in der ganzen Bibel verlangt Jesus, dass sich irgendjemand ihm unterordnet. Das ist ja gerade die frohe Botschaft des Evangeliums, dass alles aus Liebe, freiwillig geschieht… Nachfolge oder nicht. Niemand wird gezwungen.

Und wenn schon, dann gilt ganz genau dasselbe natürlich umgekehrt genauso für die Männer, und im ersten Satz, der Einleitung dieses Abschnitts, formuliert es Paulus auch so: „Einer ordne sich dem anderen unter…“  Eine Grund- und Kernaussage des Christlichen – in jedem anderen Menschen tritt mir ja Christus entgegen, gerade eben auch im Geringsten, mit dem sich Christus identifiziert, sich als real präsent darstellt, wenn er als Weltenrichter kommt, wie wir aus dem Matthäusevangelium wissen.

Also repräsentiert ebenso die Ehefrau für ihren Mann Christus – wie umgekehrt.

Der Autor dieser Zeilen im Epheserbrief hat sich ganz einfach außer dem damals üblichen patriarchalen Familienmodell nichts vorstellen können. Es ist direkt rührend, wie er sich innerhalb der vorgefundenen Gesellschaftsordnung vorstellt, dass die frohe Botschaft Jesu in die Tat umgesetzt, heilbringend gelebt werden kann. – Nämlich insofern die Männer sich für ihre Frauen so einsetzen – mit Leib und Leben und unter Umständen bis zur Selbstaufgabe -, wie es Christus für die Kirche, für die Welt und die Menschheit tut.

Es handelt sich um biblischen Text, vom Heiligen Geist inspirierte Schrift.

Gottes Geist kann jedoch nur so und so weit wirken, wie es die Vorbedingungen des betreffenden Menschen erlauben. „Die Gnade baut auf der Natur auf“, so hat es der große Theologe Thomas von Aquin ausgedrückt. Es ist durchaus abhängig von Erziehung und Bildung, ebenso von den Zeitumständen, vom persönlichen Werdegang und vom kulturellen Umfeld, was und wieviel ich vom Anruf Gottes, von der Ausgießung des Geistes über mich, mitbekomme, aufnehmen kann.

Es gibt einen Fortschritt in der Erkenntnis, und glücklicherweise kann jeder einzelne und die Menschheit insgesamt, dazulernen. Wir heute wissen, dass es nie gut gehen kann, wenn einer gezwungen wird, sich unter den anderen unterzuordnen – dass da immer schwelendes Unrechtspotential bleibt, dass Unfrieden stiftet… und dass gerade viele Kriege und die meiste Not vermeidbar gewesen wäre, wenn Frauen sich gerade nicht unter den männlichen Herrschaftswahn untergeordnet sondern ihre Vorstellungen durchgesetzt hätten. Ein christliches Muster aus unseren Tagen: Ich habe vor mehreren Jahren die Autobiographie von Hillary Clinton gelesen, die an Intelligenz, Ausbildung, Status und politischem Ansehen ihrem Ehemann, dem ehemaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, in keiner Beziehung nachstand. Als die Betrugsaffäre ihres Mannes mit der Büroangestellten in der Weltöffentlichkeit breitgetreten wurde, da ist sie trotz Verletztheit öffentlich immer zu ihrem Mann gestanden,  oft als einzige, und beide haben wieder einen Weg zueinander gefunden, die Ehe hat nach einer Phase des Verzeihens und Ordnens neu aufgelebt und besteht glücklich weiter bis heute. So großherzig und freundlich geht eine Frau im Akutfall mit ihrem Mann um, wenn sie sich vorher nie unterordnen und zurückstecken musste.

Jesu revolutionäre Art, mit Frauen genauso gleichwertigen Umgang zu pflegen wie mit Männern, das erschien der 2. Generation von Christen bereits als zu viel, und einige Generationen weiter erschien es vielen als unzumutbar. Oder es wurde gar nicht mehr nachvollzogen – das griechische Wort adelphos heißt z. B. Bruder, adelphe Schwester. In der Mehrzahl gibt es nur eine einzige Form, egal ob nur Männer oder Männer und Frauen zusammen bezeichnet werden sollen. Bei der Übersetzung des griechischen Urtextes des Neuen Testaments ins Lateinische wurde von den übersetzenden Männern, die bezeichnenderweise gar nicht weiter dachten, immer nur die Mehrzahl von frater verwendet, obwohl es in der lateinischen Sprache so wie in unserer, zwei vollkommen verschiedene Wörter gibt, nämlich auch soror, Schwester. Die Anrede in der Heiligen Schrift, die sich selbstverständlich an alle wendet, Christen und Christinnen, Frauen und Männer, lautet daher exakt „Brüder und Schwestern, oder, da wir ja über ein entsprechendes Vokabel verfügen, „Geschwister“.

Denken wir nur daran, wie lang es gedauert hat, bis Frauen und Nichtgeweihte überhaupt – wieder Verkündigerinnen sein, Theologie studieren, Gemeinden leiten durften…

Es gibt aber noch einiges mehr, nicht nur das rechte Verhältnis zwischen Frauen und Männern, was Jesus in den Evangelien sagt oder tut oder was sonst in der Bibel steht, das Anstoß erregt, was vielen Generationen von Christen unzumutbar, ja undurchführbar erschien, gerade Menschen, die überzeugte Christen und besonders rechtgläubig sein wollten. Immer wieder, und manchmal zum Schaden, manchmal zum Nutzen des Evangeliums – im Sinn von Erkenntnisfortschritt, da können Sie sich selber ein Urteil bilden…

Zum Beispiel: Schwört nicht. Nennt niemand Vater. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. Oder zu den Jüngern: Nehmt keinen Geldbeutel mit und kein zweites Hemd. Schon Paulus macht es anders: Er ernährt sich von seiner Hände Arbeit, um niemandem zur Last zu fallen. Oder das 5. Gebot: Du sollst nicht töten. Wie war das mit den heiligen Kriegen…?… Das Erlassen der Schulden und Freilassen der Sklaven alle sieben Jahre. Oder im Brief an Titus: Der Bischof sei ein guter Familienvater mit gläubigen Kindern, nur einmal verheiratet, unbescholten, angesehen…

Das große Thema, das sich durch die Evangeliumsstellen der letzten Sonntage gezogen hat: Dass Jesus sein Fleisch zu essen und sein Blut zu trinken gibt, da konnten schon damals viele nicht mehr mit. Jesus hat da damit gerechnet, er hat genau gewusst, wie unerhört dies klingt.

Er hat, das Evangelium berichtet das so, niemanden in die Pflicht und in die Mangel genommen: das musst du jetzt glauben und basta… Nein, er lässt jedem einzelnen die Freiheit und die Wahl, sich abzuwenden und wegzugehen…

Ich bin mir sicher, auch Petrus und die, die bei Jesus geblieben sind, haben sich schwer getan mit diesen Worten. Sie sind aber nicht gegangen, sie sind dageblieben.

Und genau da drin könnte heute die Frohe Botschaft für uns liegen: Das Rezept: Bei Jesus bleiben, ihm weiterhin vertrauen, und in diesem Vertrauen, dass ers gut meint, das, was uns unzumutbar erscheint, schwer lebbar und verwirklichbar, einmal ruhen und wirken lassen, vielleicht auch weiterdenken… und offen bleiben für die Möglichkeit, dass wir das, was uns schräg und quer vorkommt, eines Tages verstehen werden.

Heute lade ich Sie und mich ein, kurz zu überlegen – jetzt und zuhause: Welcher Satz Jesu oder aus der Bibel erregt bei mir Anstoß, erscheint mir unzumutbar, packe ich nicht? Wo würde ich am liebsten davonlaufen? Halten wir Gott, Jesus, diesen Satz, diese Schwierigkeit hin, reden wir mit Jesus wie mit einem Freund über das, was uns beschäftigt.

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