Pädagoge Jesus
Predigt zu Christi Himmelfahrt
Liebe Brüder und Schwestern!
Winnetou, Old Shatterhand, Robin Hood, Aeneas, Odysseus, König Artus, Johanna von Orleans, Gandhi, Friedrich Bonhoeffer, Sophie Scholl, Harry Potter, Mutter Teresa … Bischof Erwin Kräutler …
Echte Personen und erfundene Gestalten –
Was haben sie gemeinsam?
Sie sind unter Umständen das, was wir als Helden oder Heldinnen bezeichnen können.
Was sind Helden?
Sie setzen sich unbedingt für das Gute ein. Für Schwächere, für Gerechtigkeit.
Oft gegen eine Übermacht, gegen den Widerstand der Mächtigen, nehmen Verfolgung und Unbequemlichkeit, Mühe … unbeirrt in Kauf, haben einen guten Charakter, Gerechtigkeitssinn, sind hilfsbereit, sozial eingestellt, geben das Äußerste für ihre Ideale, und die sind sehr hoch.
Vorbilder, Originale, nicht erreichbar, man fühlt sich sicher, wenn sie da sind. Man empfindet es als tragisch, wenn se sterben, wenn sie nicht mehr sind.
So in diese Richtung etwa haben sich die Menschen zur Zeit Jesu den Messias erhofft.
Jesus ist durchaus in vielem so gewesen als Mensch auf der Erde.
Aber eben noch viel mehr, er hat den Rahmen gesprengt.
Bei der Himmelfahrt – oder wie wir das, was in Lesung und Evangelium geschildert wird, nennen wollen, geht er noch ein letztes Mal über menschliche Maßstäbe und Erwartungen hinaus.
Himmelfahrt – das ist ein Abschied. Ein menschenfreundlicher Abschied. Vorsichtig, behutsam, nach und nach.
Jesu, der Auferstandene, zeigt sich immer und immer wieder den Jüngerinnen und Jüngern.
40 Tage ist keine Zeitangabe, sondern 40 ist die biblische Zahl der Vollkommenheit. Der Abschied, die Phase der Umstellung auf das Neue, dauert genau so lang, wie es gut ist. Eine ideale Zeitspanne. Bis alle Jünger so weit sind und es packen. Trauer und Überraschung und Schock und alte Erwartungen verarbeitet haben.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren: Jesus hätte es gern schneller, er hätte uns Menschen gern selbständiger, mutiger, … und er verabschiedet sich zum frühest möglichen Zeitpunkt.
Es entspricht seinem Wesen und dem Wesen Gottes, uns selbständig agieren zu lassen. Er braucht uns nicht zu kontrollieren wie ein misstrauischer Chef. Er vertraut uns wie seinen besten Freunden.
Gott sieht uns allezeit, aber er schaut uns voll Liebe an wie eine Mutter, die die Fortschritte ihres Kindes beobachtet …
Klopft uns nicht gleich auf die Finger, wenn wir etwas falsch machen, lässt uns die Folgen ausbaden, aber unterstützt uns dabei.
Und nie entzieht er uns das Vertrauen …
Vorgestern habe ich den Film “Radical” gesehen, der die sensationellen Unterrichtsmethoden eines mexikanischen Grundschullehrers zeigt, dessen Schulklasse in Folge zu den besten des Landes werden.
Jesus handelt auch wie optimale Pädagogen: Er zeigt den Jüngern alles, er lehrt sie alles, er sagt: Was ich tue könnt ihr ebenfalls, und sogar noch Größeres …
Sie waren auch immer wieder ohne ihn, selbständig unterwegs, haben verkündet, geheilt, Wunder gewirkt.
Jesus hat die Seinen zur größtmöglichen Selbständigkeit erzogen.
Die allzu Zaghaften tröstet er mit der Zusage: ich bin eh bei euch…
Wir brauchen seine Freundschaft, wir brauchen das: zu fragen: was hätte Jesus gesagt, was würde er in einer bestimmten Situation tun, wie würde er entscheiden …
Da könnte sich die Kirche ein gutes Stück abschneiden: Entscheidungen, die von Angst oder Kontrolle, von Vertrauensverlust oder -verweigerung bestimmt werden, kommen ganz sicher nicht vom Heiligen Geist.
Wartet, bis der Heilige Geist euch erfüllt – wartet mit Entscheidungen, bis ihr das ganz deutlich spürt, was dran ist, was zu tun ist …
Aber dann nichts wie los.
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