Taubheit heilen. Predigt
Liebe Brüder und Schwestern!
So eine Lesung – und nun dieses Evangelium! Wie passt denn das zusammen?
Prallen da 2 christliche Grundhaltungen aufeinander, die sich normalerweise aus dem Weg gehen – das Sozialkritische, gesellschaftlich engagierte Christentum – und das fromme, private, innerlich mystische, mit Jesus, dem Heiland, wo Heilung, Gebet… ihren Platz haben?
Ich habe so das Gefühl, dass die Trennung irgendwie seltsam und nicht optimal ist. Dass da etwas getrennt wird oder wurde, was doch unbedingt zusammengehört.
Geht es Ihnen nicht manchmal so wie mir auch – es kommt mir vor, als ob der Glaube, das Christentum irgendwie kraftlos, schwach wäre, ohne wirkliche Wirkung?
Könnte es nicht sein, dass ein Aspekt für sich einfach nicht reicht?
Im Evangelium hören wir: Jesus heilt einen, der taubstumm ist.
Heilungen geschehen auch heute.
Es gibt große charismatische Heilungsgottesdienste, wo Menschen immer wieder berichten, dass und wie sie geheilt worden sind.
Aber warum sind das so wenige?
Bei Jesus im Evangelium heißt es immer, er heilte viele oder sogar alle, die man zu ihm brachte.
Ist Gottes Gnade begrenzt?
Ich glaube ganz ernst, Gott will alle und immer heilen.
Aber ich bin auch davon überzeugt, dass Gott oder der Heilige Geist den Menschen dort zuerst heilt, wo der die Heilung am nötigsten hat.
Der Mann im Evangelium ist „taubstumm“. Schrecklich genug, und Grund genug, dass er geheilt werden möchte.
Das griechische Wort, eigentlich sind es zwei, bedeutet nicht nur taub, sondern auch verschlossen, dumm.
Es gibt Menschen, die sind „zu“. Sie haben sich zugemacht, abgeschottet vom Leben, von der Umgebung, von der Umwelt, von den Mitmenschen … sie wollen unbeteiligt sein, unberührt vom Schicksal der anderen, unbehelligt, nur nichts anderes und Neues bitte…
Dicht gemacht. Keine Chance, kein Einfallstor für die Gnade Gottes. Da kommt und dringt nichts durch. Abgeschirmt. Teilnahmslos. Für diese Trennung von Gott und den Menschen gibt es ein Wort: Sünde.
Bei der Feier der Taufe gibt es den Effataritus. Gott möge dem Täufling Ohren und Mund öffnen, so habe ich selbst 25 Jahre bei Taufen gebetet, damit das Kind lernt, auf Gott zu hören und die frohe Botschaft zu bekennen vor den Menschen. Das kind soll mit offenen Sinnen durch die Welt gehen, gscheit werden.
Ich glaube, wir spüren schon den Zusammenhang mit dem Text und Anliegen der Lesung.
Vor lauter Tradition und Verhaltensregeln und Angelerntem und Altgewohntem können Menschen so verblendet sein, dass sie die extremsten und furchtbarsten Zustände für normal, ja gottgewollt halten.
Sklavenhaltung. Unterdrückung der Frau. Heiliger Krieg. Verfolgung, Folter, Mord im Auftrag Gottes?! Intoleranz.
Oder auch nur eine Gesellschaftsordnung, die so alt und gewohnt ist, dass die Botschaft Jesu dagegen nicht ankommt, nichts ausrichten kann, keine Chance hat.
Reiche, vornehme vorne auf den guten Plätzen, Arme hinten. Klar, wie auch sonst… Wer zahlt, hat recht … In den USA ist es so bei den Freikirchen, kein Kirchenbeitrag – da ist die Gefahr sehr groß – der Großspender setzt sich durch – Fundamentalismus.
Jakobus in der Lesung meint: So nicht.
Das, was ihr da treibt, hat mit Christentum nichts zu tun.
Wo war denn Jesus immer? Wen rückte er ins Zentrum? Wo nahm er seine Apostel her, fand er Freunde?
Also bitte.
Gott ist groß und menschenfreundlich genug, um alle und alles zu heilen und in Ordnung bringen zu wollen.
Nicht nur die körperlichen Gebrechen. Es gibt schließlich was, das ärger ist. Störender im Heilsplan Gottes.
Die sozialen Sünden, der Dünkel, der falsche Stolz, der Irrglaube, als Mensch mehr zu zählen, weil man reicher, vornehmer, schöner, erfolgreicher, gesünder und fitter ist, mehr Kinder hat oder zu einer bestimmten Nation, gehört … alles, was einer offenen Gesellschaft entgegensteht.
Die Äußerlichkeiten können so stark sein, dass Menschen tatsächlich und wirklich „zu“ sind für den Anruf des Heiligen Geistes.
Es ist nicht so, dass Gott uns nicht erhören würde, wenn wir beten. Davon kann keine Rede sein.
Aber, liebe Mitglaubende. Ist es nicht angebracht, dass auch wir immer besser auf Gott hören – es zumindest versuchen? Unsere Wünsche sind immer wieder einmal kurzsichtig und allzumenschlich. Was uns unfähig macht, auf das Ganze zu sehen, die Zwischentöne zu hören, das Offensichtliche mutig an- und auszusprechen, das möchte Jesus heilen. Unsere Verletzungen, schlechten Erfahrungen – halten wir sie ihm hin, lassen wir uns berühren – jede Begegnung – Gebet, Schrift, Sakrament, Reden, Lesen über den Glauben – mit dem Herrn wirkt heilsam auf uns..
Wir sind eingeladen: Machen wir uns auf, Ohren, Herz … für die Wirklichkeit.
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