Füße waschen
Predigt Gründonnerstag 14. 4. 2022, Haid
Liebe Brüder und Schwestern, liebe Kinder!
Wie ist es Ihnen gegangen, als Ihnen die Hände gewaschen worden sind? Ungewohnt? Unangenehm?
Sich waschen lassen – und nicht einmal die Füße, sondern auch nur die Hände – wie fühlen wir uns dabei? Es ist nicht jedermanns Sache. Auch dort, wo ich es sonst erlebt habe, auch im Europakloster Gut Aich, wo der Prior P. Johannes Pausch den Gästen des Klosters am 1. Abend vor dem Abendessen die Hände wäscht, wollen das nicht alle.
Ein Art Empörung: als Erwachsene wollen wir das irgendwie nicht …
Wieso mussten zur Zeit Jesu vor dem Essen überhaupt die Füße gewaschen werden?
Im Mittelmeerraum trug man Sandalen; die Wege und Straßen waren voller Staub, und Füße waren am Tagesende schlicht und einfach schwarz.
Noch dazu hatte es sich in besseren Kreisen in Israel wie in allen römischen Provinzen eingebürgert, dass man beim Essen nicht saß, sondern nach römischem Vorbild der Besatzungs- und Kulturmacht lag – die Füße befanden sich in Augenhöhe der Tischnachbarn.
Sich die Füße beim Betreten eines Hauses zu waschen oder – von Sklaven, eher noch Sklavinnen, jedenfalls von den Rangniedrigsten der Dienerschaft – waschen zu lassen, war derart normal und üblich, dass man kein Wort darüber verlor.
Und Jesus macht das – als Vermächtnis an seine Jünger und Jüngerinnen.
Wir spüren, glaube ich, schon, wieso Petrus das als so unerhört empfindet.
Das, was eigentlich damit gemeint ist, ist auch für uns heute derart unerhört, dass wir nicht daran denken, es in Anspruch zu nehmen.
Gott wäscht uns die Füße – behutsam befreit uns von Dreck und allem Unguten, das uns anhaftet. Kennt unsere Schwächen und Fehler, was uns hässlich macht.
Ich möchte Ihnen eine Begebenheit erzählen, die beim Spazierengehen während Exerzitien vorgefallen ist:
Es war im Juli, nach 2 Tagen Regen der erste sonnige Tag.
Ein kleines Mädchen, vielleicht 5, 6 jahre alt, kommt mit der Oma auf dem Feldweg daher. Das Mädchen hat eine zerrissene Hose und ein aufgeschürftes Knie – das Mädchen sagt zur Oma – gell, ich schau aus … Oma: naja – du bist schon sehr schmutzig…“ Das Mädchen sagt: Ja, ich bin schmutzig – wirklich schmutzig … das macht aber nix, die Mama hat mich lieb. Und die Freude des kleinen Mädchens ist richtig spürbar.
So sollen wir miteinander umgehen. Im Wissen, wir sind nicht perfekt und manchmal wirklich sagenhaft dreckig, und sonst niemand ist perfekt und auch mitunter sagenhaft dreckig – und Gott liebt uns. Und wir sollen einander nicht lieben, weil wir perfekt sind, sondern weil es ein Mensch ist.
Wir leben in einer Kultur der Fehlersuche, des ständigen Betonens von dem, was falsch läuft und zu perfektionieren ist.
Das macht Menschen krank – und die gesamte Gesellschaft.
Wer nicht bereit ist, Fehler zu machen, wird nichts lernen.
Wenn wir die Fehler und Mängel in den Menschen um uns sehen: Machen wir es also wie Jesus:
Verwenden wir die Schwachpunkte nicht dazu, unsere Mitmenschen klein zu halten oder klein zu machen, sondern helfen wir ihnen auf. Waschen wir ihnen, einander die Füße – beziehen wir die Störungen ein in unsere Planungen, in unser Handeln – leben wir eine Grundhaltung wohlwollender Toleranz. Toleranz heißt: Wir halten das aus, dass es unperfekt zugeht, weil Menschen unperfekt sind … Drücken wir ein Auge zu, und wenn nötig auch einmal beide.
Nicht weil es wurscht ist, wenn Fehler passieren, sondern weil es Wichtigeres gibt.
Vertrauen in die Welt, in die Mitmenschen, Freude über die guten Eigenschaften und Fähigkeiten, über alles, was gelingt, Kreativität, Sinn, Humor, Liebe und Glück. Zum Beispiel.
Liebe Brüder und Schwestern, wir haben die Fußwaschung durch Christus durchaus nötig.
Wer sich nicht die Hände und Füße schmutzig macht, hat nichts getan, nichts gearbeitet, sich nicht eingesetzt – ist irgendwie unlebendig – wie aus Kunststoff. Wir haben auf unserem Mariengobelin stehen: Maria ist nicht aus Gips und Plastik.
Wenn wir lebendige echte Christinnen und Christen sind, dann kommen wir mit dem echten Leben in Berührung. Mit Dreck und Schmutz und Blut und Staub und Erde und Verletzungen …
NUR SO werden wir dem Auftrag Jesu gerecht.
Der Teufel macht sich nicht schmutzig und er wäscht auch niemanden. Vielleicht erinnern wir uns an die Weisheitsgeschichte von dem Mann, der nicht in den Himmel kommen kann, weil er NICHTS gemacht hat – nichts Böses, aber auch nichts Gutes.
Große Heilige sind mit ihren Mitmenschen immer in Berührung gekommen – Katharina von Siena hat Aussätzige gewaschen, Franz von Assisi sie gepflegt …
ApostelInnen, SeelsorgerInnen, ChristInnen … WIR müssen mit dem Leben in Berührung kommen – nach dem Vorbild Jesu – sonst haben wir unseren Sinn verfehlt.
Fußwaschung und Eucharistie hängen unmittelbar zusammen – denn nur auf diese Weise werden wir einander zum Brot, zur lebensnotwendigen Nahrung.
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